Regisseur Douglas Wolfsperger gehört zu den Mutigen, die hierzulande dem Dokumentarfilm die Treue halten. Wobei: Da fängt die Schwierigkeit schon an. Der Begriff „Dokumentarfilm“ trifft die Arbeiten Wolfspergers nicht wirklich. Es sind eher Essays, was er realisiert. Die nehmen von vornherein durch die stets spürbare persönliche Haltung und Persönlichkeit Wolfspergers für sich ein. „Bellaria“, „War’n Sie schon mal in mich verliebt“ und „Der entsorgte Vater“ sind schöne, erfolgreiche Beispiele für die Qualität seiner Filme.

In seinem neuen Film stellt Wolfsperger sein wesentliches Thema so deutlich aus, wie nie zuvor: die Suche des Einzelnen nach seiner Individualität in einer Individualitäts-feindlichen Gesellschaft. Wir lernen zwei Frauen kennen, die sich mehr oder weniger professionell als Double der Bundeskanzlerin verdingen. Über das Spiel mit der fremden Identität wird das eigene Ich mehr und mehr erkennbar – und damit wachsen die Möglichkeiten der Gestaltung.

Wolfsperger verdeutlicht das nicht mit vordergründigen Fingerzeigen. Er beobachtet, wertet allenfalls durch spürbare Nähe oder Distanz zu den Protagonistinnen. Dabei offenbart sich auch, welches Geschäft hinter dem Doppelgänger-Spaß lauert. Interessanterweise kommt eine der Merkel-Imitatorinnen durch ihre Beschäftigung mit der Figur der Bundeskanzlerin und mit der Politik auf die Idee, sich selbst politisch zu engagieren. Ohne es auszustellen, macht der Film einem schlagartig klar, warum sie das nicht in der Partei tut, der Angela Merkel angehört.

Peter Claus

Doppelleben, von Douglas Wolfsperger (Deutschland 2012)

Bilder: Camino (Neue Visionen)

 

Rezension Doppelleben von Henryk Goldberg auf getidan