2009 wurde „Vincent will Meer“ zum Überraschungserfolg. Sofort zogen andere „Behinderten-Komödien“ nach. Liest man nur in Stichworten die Story von diesem Film, fürchtet man, nun den x-ten Abklatsch zu bekommen. Zum Glück ist dem nicht so.

Auch Regisseur Felix Stienz schickt drei Außenseiter auf Abenteuer. Auch er liefert ein road movie. Doch sein Humor ist von skurriler Art, wie es ihn hierzulande sonst nicht gibt. Aki Kaurismäki fällt einem als Vergleich ein. Doch dieser Vergleich hinkt. Debütant Stienz hat einen für einen Anfänger erstaunlich sicheren Stil. Die im Januar mit dem Publikumspreis beim Festival um den Max Ophüls Preis ausgezeichnete Komödie feiert mit großer Fabulierlust die Würde des Einzelnen und das Recht jedes Individuums auf seine ganz persönliche Lebensart.

Die Helden sind die blinde Französin Europe (Stephanie Capetanides), der kleinwüchsige Bomber (Tobi B.) und der stumme Bruno (Matthias Scheuring). Europe ist von einem One-Night-Stand schwanger und will den Mann ihrer Träume finden, Bomber fühlt sich in seinem Job als Kurierfahrer übers Ohr gehauen und will die aktuelle Fuhre zu eigenem Gewinn verhökern, und auch Bruno hat ein Problem. Vieles bleibt da erst einmal im Dunkeln, wird nicht ausgesprochen, nicht gezeigt. Und genau das macht einen Großteil des Charmes dieser Komödie aus. Wir als Zuschauer entdecken die Figuren mit ihnen gemeinsam, erfahren, wie Europe und Bomber, was Bruno quält, kommen ihnen auf der hindernisreichen Fahrt von Paris nach Berlin immer näher.

Grelle Farben und schön-schräge Bild-Arrangements sagen von vornherein, dass wir uns eher in einer Märchenwelt denn in der Realität befinden. Doch Märchen spiegeln die Realität bekanntlich sehr genau! Die Komik ist durchweg von Dunklem beschattet. Europe bringt es auf den Punkt, wenn sie das Trio als Abbild der drei berühmten weisen Affen beschreibt: sie sieht nichts, Bruno sagt nichts und Bomber hört nichts, denn er versteht kein Wort Französisch. Diese Konstellation hätte nun leicht zu Klamauk verführen können. Doch der bleibt aus. Felix Stienz scheut zwar nicht vor derbem Witz zurück, doch bleibt er dabei immer menschenfreundlich. Schon allein das lässt einen staunen! Interessant ist, wie hier Musik zu einem entscheidenden Motor des Geschehens und zu einem wichtigen Kriterium der Charakterisierung der Protagonisten wird. Man ist hingerissen!

Peter Claus

Puppe, Icke & der Dicke, von Felix Stienz (Deutschland 2012)

Bilder: Drei Freunde (strangenough pictures & One Two Films)