Der diesjährige Berlinale-Sieger. Regisseur Calin Peter Netzers erzählt eine unerhörte Geschichte, die den Alltag der bürgerlichen Gesellschaft trefflich spiegelt, einen Alltag, der vom Streben nach Geld und Macht geprägt wird. Schauspielerin Luminita Gheorghiu verkörpert als Monster-Mutter, die ihren erwachsenen Sohn Barbu (Bogdan Dumitrache) kontrolliert, einen Prototyp: das eigene Ich ist das A und O, Gemeinwohl ein Fremdwort, Nächstenliebe allenfalls noch ein Stichwort für einen Witz.

Auslöser allen Geschehens ist ein Unfall: Barbu, Mitte dreißig, ist schuldig am Tod eines Jungen. Mutter Cornelia versucht alles, um ihn aus der Verantwortung zu nehmen. Selbst vor Bestechung und Erpressung scheut sie nicht zurück. Pointe: Barbu entzieht sich. Statt seine Zuneigung zu halten, zerstört sie genau die. Cornelia wird von ihrer Gier nach Erfolg ins Abseits geschleudert. Beruhigend ist das nicht, auch kein Sieg der Menschlichkeit. Netzer lässt kitschigem Gutmenschengetue keinen Raum. Kühl und trocken wird die Story abgespult. Damit wird sie leicht als Bild der rumänischen (und nicht nur der!) Gesellschaft an sich erkennbar. Barbu gehört zur Generation derer, die sich von den Haltungen der Elterngeneration abnabeln muss, wenn sie eine positive soziale Entwicklung ankurbeln will. Was leicht gesagt ist, sich aber nur mit Schwerstarbeit umsetzen lässt. Die Chance auf der Verliererseite zu landen ist größer als die, bei den Gewinnern zu sein. Wobei Netzer klar zur Diskussion stellt, dass wohl zu fragen ist, was als Gewinn gelten soll. Seine Ansicht ist klar: Bleibt’s beim Pochen auf Profit bis zum Geht-nicht-mehr (materiell und immateriell), dann wird die so genannte westliche Welt schneller den Bach runter gehen als wir es uns in den schwärzesten Alpträumen ausmalen.

Peter Claus

Mutter und Sohn, von Calin Peter Netzer (Rumänien 2013)

Bilder: X Verleih