Aufgefallen, ausgefallen, rausgefallen: alljährlich trifft es hierzulande zehntausende Schülerinnen und Schüler, die im genormten Bildungssystem nicht klar kommen. Sie werden Abbrecher, ganz schnell zu Außenseitern abgestempelt. Woran liegt’s? Nur am System? Oder doch auch an anderem? Grundsätzlichen Fragen geht diese Doku nur am Rande nach. Autor und Regisseur Alexander Kleider will vor allem eine Alternative zeigen, eine Bildungseinrichtung anderer Art, die „Schule für Erwachsenenbildung“, kurz „SFE“, in Berlin.

Seit 1973 gibt es hier die Chance auf Bildung fern der üblichen Lernwege. Die Schülerinnen und Schüler sind älter als 20, wissen um ihre Schwierigkeiten, wollen nicht aufgeben. Mutige Menschen. Wie die, die ihnen helfen. Die „SFE“ im früheren West-Berliner Szenebezirk Kreuzberg, in einer ehemaligen Fabrik, auf einem Hinterhof, wird privat geführt. Individualität ist hier nicht nur ein Schlagwort, hier ist sie Alltag. Die Schützlinge haben viele, viele Freiheiten. Die Lehrenden auch. Sie allerdings stehen unter einem entscheidenden Zwang: Sie müssen die Lernenden dazu befähigen, am Ende staatlich abgesicherte Prüfungen abzulegen. Denn nur so können anerkannte Abschlüsse erreicht werden. Spannend: Alle sind in nahezu jeder Hinsicht gleichberechtigt. Wer hier Wissen erwerben möchte, darf sich nicht nur einbringen, sie oder er muss es. Die Lehrerinnen und Lehrer zeigen durchweg ein hohes Engagement. Kein Wunder bei Leuten, die als Lohn gerade mal etwas mehr als 12 Euro pro Stunde erhalten.

Alexander Kleider ist jetzt 41. Es ist keine 20 Jahre her, dass er auf der SFE zum Abitur geführt worden ist. Seine Zuneigung zur Institution und deren Protagonisten prägt den Film entscheidend. Da wundert es nicht, dass er, so dicht er auch einzelnen Schülerinnen und Schülern kommt, vor allem die Lehrenden ehrt. Am Ende bleiben besonders sie in starker Erinnerung. Man wünscht sich, selbst solche Unterrichtenden gehabt zu haben, die nach der Devise arbeiten: Wir müssen Freude daran haben, dann überträgt sich die auch.

Gezeigt werden Episoden aus drei Jahren: Schule und Freizeit, Hoffnungen und Träume, Niederlagen und Erfolge. Die Montage setzt auf Rasanz, gern angeheizt von entsprechender Musik. Was gelegentlich stört. Es hätte nicht geschadet, könnte man hier und da den Protagonisten etwas länger und mit mehr Ruhe über die Schultern schauen und in die Gesichter sehen.

An der Schule wird das Lernen in drei Phasen eingeteilt: „Begeisterung“, „Ernüchterung“ und „Produktive Panik“. Diese Phasen geben dem Film auch eine Gliederung. Dabei tut Alexander Kleider nicht so, als sei die SFE das Modell schlechthin, um das deutsche Schulsystems zu reformieren. Er zeigt lediglich eine Alternative.

Schad nur, dass der Titel des Films recht reißerisch anmutet und möglicherweise völlig falsche Erwartungen weckt. Der Film selbst ist – zum Glück! – nicht reißerisch. Geboten wird ein guter Mix aus Information und Emotion. Man geht mit den Charakteren, die man erlebt, gern ein Stück des Weges mit.

Peter Claus

Bilder: © NEUE VISIONEN


Berlin Rebel High School, von von Alexander Kleider (Deutschland 2017)