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„Egon, wir sind nicht die Olsenbande!“ stand im Herbst 1989 auf einzelnen Transparenten bei den Demonstrationen in der DDR. Und nach dem Fall der Mauer machte folgender Witz seine Runde: „Was haben Egon Krenz und Egon Olsen gemeinsam? Beide wurden berühmt durch die Öffnung von Türen, die in Berlin gebaut wurden und als sicher verschlossen galten.“
In der DDR waren die dänischen Komödien um die Gentleman-Ganoven Kult, noch heute bringt jede Wiederholung hervorragende Einschaltquoten. Dem Charme der Olsenbande, die ihren großen Coup plant und dabei auf sympathische Weise scheitert, kann sich kaum jemand entziehen. Dennoch gelang Egon, Benny und Kjeld sowie den Nebenfiguren Yvonne, Børge, Dynamit-Harry oder dem Dummen Schwein nie der große Durchbruch in Westdeutschland, wo die Filme mit anderer Synchronisation und noch stärkeren Schnitten als in der DDR liefen.
Der dänische Schauspieler Morten Grunwald, vom 1968 bis 1998 Darsteller des Benny Frandsen, lässt nun in seinem reich bebilderten Buch „Meine Tage in gelben Socken“ (Schwarzkopf & Schwarzkopf) sein Berufsleben an der Seite von Egon Olsen (Ove Sprogøe) und Kjeld Jensen (Poul Bundgaard) Revue passieren. Außerdem würdigt er mit vielen Anekdoten die Arbeit von Regisseur/Autor Erik Balling und Autor Henning Bahs, ohne die es die Olsenbande nie gegeben hätte.
Benny Frandsen ist ein großer Junge mit einem losen Mundwerk und voller Lebenslust. Er kann Autos steuern, aber auch Lokomotiven, Kräne, Panzer und alles, was sonst noch fährt. Neben dem braunkarierten Sakko gehören die zu kurzen Hosen, gelbe Socken und ein Schlapphut zu seiner modischen Grundausstattung. Zu einem geflügelten Wort wurde sein Standardspruch aus der DEFA-Synchronisation: „Mächtig gewaltig!“ Im dänischen Original sagt Benny „Skide godt“, was mit„scheiß-gut“ übersetzt werden darf.
Morten Grunwald, der am 9. Dezember 1934 in Hans Christian Andersens Geburtsstadt Odense auf der Insel Fünen zur Welt kam, besuchte die Schauspielschule des Königlichen Theaters in Kopenhagen. Sein Filmdebüt gab er im Jahr 1961, den ersten großen Erfolg feierte er 1965 mit der Hauptrolle in der Agentenkomödie „Kaliber 7,65 – Diebesgrüße aus Kopenhagen“ („Slå først, Frede“). Doch die insgesamt 14 Filme über die Olsenbande wurden Morten Grunwalds größter Erfolg und sein Markenzeichen. „Meine Tage in gelben Socken“ ist im leinwandähnlichen Querformat gedruckt und bietet auf 232 Seiten mal farbige, mal schwarz-weiße, aber immer gestochen scharfe Standfotos oder zum Teil bislang unveröffentlichte Bilder von den Dreharbeiten.
Die Produktionsfirma der ersten 13 Olsenbande-Filme war die Nordisk Film A/S, die 1906 gegründet wurde und somit die älteste noch bestehende Filmgesellschaft der Welt ist. Der 14. Film entstand 1998 in Koproduktion mit dem Mitteldeutschen Rundfunk (MDR), dann aber nicht mehr unter der Regie des damals schon verstorbenen Erik Balling. Meist wurden die Filme im Sommer gedreht, um im Herbst oder spätestens zu Weihnachten in die dänischen Kinos zu kommen. Alle Innenaufnahmen wurden in den Studios von Nordisk Film in Kopenhagen gedreht.

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In der DDR erschienen zehn Filme im Progress-Filmverleih. Der sechste, achte und zehnte Film schafften es in der DDR aber nur ins Fernsehen. Die DEFA-Synchronsprecher für Egon, Benny und Kjeld wechselten in den frühen Filmen mehrfach. Ab dem sechsten Teil blieb die Besetzung der drei Hauptrollen mit Karl Heinz Oppel, Peter Dommisch und Erhard Köster bis zum vorübergehenden Ende der Reihe konstant, nur für den späten 14. Film, der im Synchron- und Tonstudio Leipzig vertont wurde, musste nach Peter Dommischs Tod ein neuer Sprecher gefunden werden. Der Erfolg der Reihe ging so weit, dass auch die Synchronsprecher bei den Fans begehrt waren. So traten Oppel, Dommisch und Köster 1982 gemeinsam mit den dänischen Hauptdarstellern Sprogøe, Grunwald und Bundgaard in der DDR-Fernsehsendung „Nacht der Prominenten“, vergleichbar mit „Stars in der Manege“ im westdeutschen Fernsehen, auf.
Meist kam es in den DEFA-Versionen zu kleineren Zensuren in der dänisch-deutschen Übersetzung. Ein Beispiel findet sich im zehnten Film „Die Olsenbande steigt aufs Dach“, worin Egon Olsen im dänischen Original sinngemäß erklärt: „Die Reichsregistratur bewahrt sämtliche Informationen über Dänemark und die Dänen auf, sowohl gewöhnliche Informationen als auch geheime Informationen, die für die Polizei, die NATO, die EG und befreundete ausländische Mächte von Interesse sein könnten.“ In der DEFA-Synchronfassung entstand daraus: „Hier werden sämtliche Informationen über Dänemark und die Dänen aufbewahrt, wichtige Informationen und völlig belanglose, allgemein zugängliche ebenso wie solche, die so geheim sind, dass niemand weiß, ob man überhaupt wissen darf, dass man das gar nicht wissen darf.“
Im Westen Deutschlands kam es in den frühen 1970er Jahren, frei von ideologischen Gründen, zu kaum nachvollziehbaren Schnitten und Änderungen. So flogen alle Szenen mit Kjelds Ehefrau Yvonne (Kirsten Walther), raus. Auch Namen einiger Ganoven wurden geändert, so hieß Kjeld plötzlich Karlchen oder Børge plötzlich Peterchen. Egon Olsen wurde von Wolf Rathtjen (Synchronsprecher von Papa Schlumpf) gesprochen, Benny von Horst Sachtleben (einer von insgesamt fünf Inspektor-Columbo-Synchronsprechern) und Kjeld/Karlchen von Alexander Welbat (Autor und Regisseur der deutschen „Familie Feuerstein“-Fassung). Auch eine spätere Synchronfassung, die das ZDF um 1990 für fünf Olsenbande-Filme in Auftrag gab, erreichte nicht das sprachliche Niveau der früheren DEFA-Versionen, die noch heute in vielen dritten Programmen laufen.

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An mehreren europäischen Universitäten widmeten sich wissenschaftliche Arbeiten dem Erfolg und der Entstehungsgeschichte der Olsenbande-Filme. 1993 wurde an der Universität Roskilde sogar ein deutsch-dänisches Olsenbanden-Seminar abgehalten. Wenn es 2018, also zum 50-jährigen Jubiläum der Olsenbande, wieder zu solch einer Ehrung kommt, hat Morten Grunwald mit seinem lesens- und sehenswerten Buch schon jetzt dafür ein wichtiges Stück Referenzliteratur geliefert. Die meisten Exemplare der Erstauflage sind vom Schauspieler persönlich signiert.

Michael Scholten

 

 

olsen330Morten Grunwald:

Meine Tage in gelben Socken

Verlag  Schwarzkopf & Schwarzkopf

232 Seiten, 24, 95 EUR

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