Und blieb auf ewig Lili Marleen

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Wer bestimmt, was das Gedächtnis bewahrt für die Zukunft? Es ist der Zeitgeist, das Bedürfnis der Menschen, das sich mit einem Lebensgefühl verbindet. Dieser Vorgang ist nicht berechenbar.

Am 18. August 1941 legt ein Techniker des deutschen Soldatensenders Belgrad eine Schallplatte auf. Den Text hatte Hans Leip 1915 geschrieben, die Musik 1938 Norbert Schultze. Und Lale Andersen hatte es bereits 1939 aufgenommen und ohne diesen Techniker würde es heute niemand kennen. Nun, buchstäblich über Nacht, wurde Lili Marleen ein Jahrhundertlied. Es passte alles. Die Melancholie dieses Textes, die sanfte Traurigkeit der Musik trafen auf ein millionenfach verbreitetes Lebens- und Sterbensgefühl in den Schützengräben. Für diese jungen Männer, gleich, welche Uniform sie trugen, stand überall eine Laterne und überall standen dort die Mädchen. Und Millionen junger Männer hatten die gleiche Angst vor dem gleichen Tod. Das empfand auch Goebbels, das Lied war ab April 1944 verboten.

Die Schauspielerin Lale Andersen, eigentlich Liselotte Bunnenberg, lebte bis 1972 auf einer Nordseeinsel. Sie sang Schlager, Ein Schiff wird kommen, doch blieb sie auf ewig Lili Marleen.

Heute vor einhundert Jahren wurde sie geboren. Es gibt nicht viele Menschen, von denen sich sagen lässt, sie hätten ein Lied des Jahrhunderts gesungen.

Autor: Henryk Goldberg

Text veröffentlicht in Thüringer Allgemeine, März 2005