Doris Theres Hofer im BBK Köln: trompe l’oeil vom Bilderverbot

Der BBK Köln hat seit dem Verlust seiner Räume im Stapelhaus am Rhein seine Post und Ausstellungsadresse in der Mathiasstraße 15, „Matjö, Raum für Kunst“. Von Sofie Mathoi kuratiert wurde dort vom 12.11. bis zum 10.12.2015 ein Werk der österreichischen Künstlerin Doris Theres Hofer mit dem Titel „It’s empty here. I have an Exhibition“ ausgestellt. Zur Eröffnung findet sich die übliche Szenerie, Grüppchen stehen mit gefüllten Gläsern umher, auch werden Kinder im Arm gehalten. Die Wände des Raumes sind weiß, man sieht, dass wandfüllende Flächen vor die den Raum begrenzenden Wände gesetzt sind. Gut, wenige Spuren sind darauf, was wiederum abwesende Bildflächen anzeigen könnte. Eine müde leichte Gereiztheit stellt sich ein,,schon wieder‘ ein konzeptuell gewollt bildarmes Werk, das didaktisch zu werden droht. Will sich der BBK etwa leicht verzögert mit den Kräften eines Turner Preises messen oder dem ,internationalen Diskurs‘ anbiedern? Die Künstlerin (Jg. 1979) hat Atelierwände der Akademie der Bildenden Künste Wien abgebildet und hierher transportiert. Okay, so wenig Sichtbares scheint eben nicht ganz neu, es beschleicht einen die Frage, was jetzt könnte daran noch bemerkenswert sein?

Die beiläufigen, wenigen Spuren auf den weißen Flächen sind fraglos Spuren von Farbauftrag, zufällige Hinterlassenschaften der Arbeitsprozesse auf anderen Flächen, der ein oder andere Wischer könnte auch einfache Verschmutzung sein. Nach näherem Hinsehen wirken die wenigen heruntergelaufenen ,Farbnasen‘ transparent und etwas faserig, als sei vielleicht Staub daran haften geblieben. Leichte Verwischungen wirken ebenfalls durchscheinend, andere eher krümelig, als sei mit wenig feuchtem Pinsel nur leicht angelöstes Pigment hängengeblieben. Sieht man die vorgesetzten Flächen aber genauer an, haben sie mit Platten wenig gemein. Vielmehr sind es großformatige Stoffbespannungen auf Holzrahmen gehalten, ähnlich also bespannter Leinwand. Das bringt Vorder- und Hintergrund des möglicherweisen dokumentierten Schaffensprozesses schon etwas ins Wanken, und man ahnt Fraglichkeit dessen, worauf sich die Augen – äußerster Teil des Gehirns – mit ihrem ganzen Bemerken hier einzustellen, zu fokussieren versuchen. Sind die fast leeren Flächen schon in den Verdacht gerückt, selbst Malerei zu sein, gilt es aber noch festzustellen, dass die Oberflächen, die vom Malen im Akademie-Atelier etwas abgekriegt zu haben scheinen, hinterrücks in Feinarbeit bestickt wurden.

Es war also einem penibel und perfide ertüftelten Stickwerk aufzusitzen. Damit kommt fassungsloses Erstaunen auf und Vergnügen, zu durchblicken, wie eine Täuschung, ein perfektes Trompe l’oeil, sich hat fertigen lassen. Aber auch Verlegenheit darüber, dass man sich – an unerwarteter Stelle – hat narren lassen. Die Stickarbeit ist erst mit sehr genauem Hinsehen überhaupt von der bereits entstandenen Vorstellung durchscheinender Farbe zu unterscheiden. Man muss nicht mal schlechte Augen haben, um erst nach und nach winzige Kreuzstiche zu erkennen. Die Täuschung ist echt. Es bleibt ein leiser Schauer über ihre Perfektion, ihr Aufwand hat etwas Ungeheures und irgendwie auch Bedenkliches. Die Zufälligkeit einer Farbspur in anspruchsvollste Stickerei umzusetzen, Hingespritztes in allerfeinste Tapisserie, ist irre und irgendwie auch unwahrscheinlich. Warum sollte jemand so etwas tun? Effekt und Herstellung sind disparat, das gibt dem Ganzen etwas Widersinniges. Diese wenigen nachlässigen Spuren zum geduldigst gestalteten Werk umzuformen, ist absurd und äußerst listig unter Inkaufnahme und Provokation des Effektes, dass die große Mühe ungesehen bleiben könnte. Da scheint jemand mit reichlich Widerstand in den Untergrund gegangen zu sein, wie man es weniger vom Handarbeiten als von totalitären Systemen kennt. Sticken ist eine dienende, unterworfene Aufgabe, unter ein Muster, unter gewählte Auf und Vorgaben, eine Huldigung zu deren Umsetzung. Sticken ist als Sticken nicht wie Malerei als Malen oder Form als Formen zur Anschauung zu bringen. Sticken ist Plackerei für einen Effekt, gerne auf prächtigen Kleidern, aber auch Unterwäsche und heute meist maschinell vollzogen. Zwar gibt es vielerlei genähte Bildwerke, hier aber mündet das Sticken in die Frage, wie weit man die Verführung zu einer Vorstellung in Richtung Verkennung treiben kann. Einerseits lässt sich das auf die Qualen der zeitgenössischen Kunst und ihrer Eitelkeiten beziehen, andererseits aber auch auf das Sticken selbst. Es hat sich hier als Konzeptkunst verkleidet, schillert wie die Wäsche am Leib oder auch k.u.k.-nostalgische Sissi-Sehnsucht. In der Begegnung mit dem Werk „It’s empty here“ verspürt man in boshafter Weise etwas von dem wohl menschheitsalten und oft fundamentalistischen Kampf von Bilder-Schaffen und Bilder-Verbot.

Und so drehen sich auch Schöpfung und Sklaverei in eine perfide Richtung: wir lassen uns bei der Bereitschaft erwischen, sklavisch dem Abwesenden eine Bedeutung zuzuschreiben, bei deren Nicht-Verstehen wir wiederum nicht erwischt werden wollen. Es hat etwas von Verführung, aber auch von Rache an sich, das ,Laster‘ der Kunst- Handwerklichkeit im Kleide des Konzeptes zu bieten: etwas ist „nur Kunstgewerbe“, aber im Gewerbe des Handelns um Kunst und der darum kreisenden Welt erlesen, feudal. Diese Arbeit zeigt bitterste Ironie über die Verrätselung, hinter der die Möglichkeit künstlerischen Erfolges versteckt zu werden scheint, – kurz vor einer Verschwörungstheorie: Führen von Erfolg Beschienene im Begleitschutz von Kunstschreibern ihre Schüler gelegentlich auf’s Glatteis und versuchen sie in Sorge um eigenes Überleben und eigene Geltung mit dem Zwang zur Innovation ,abzuhängen‘? Die Formulierungen von Doris Theres Hofer zeigen die Pracht der Stickkunst zusammen gewirkt mit List und Tücke, ,österreichisch‘ wie die perfide Überambivalenz bei Elfriede Jelinek, deren Klavierspielerin Schülerin Glasscherben in die Manteltaschen füllt, damit sie nicht konzertierend überrundet werde.

Ein paar Spritzer genügen Doris Theres Hofer, die aber gestickt. Vielleicht zeigt das auch, wie komisch das Rumspritzen ist, sind auch Erbteile des Wiener Aktionismus in diese Aussteuer mit eingestickt. Das Zufällige mit der größten Andacht und Genauigkeit in Fleißarbeit in Stickerei umzusetzen, bringt sonderbare Züge unserer Zeit heraus Götzen-und Gottesdienste erscheinen unentmischter denn je, umso wichtiger vielleicht, zu sehen, was sich zu verlieren droht an den Rändern unserer Haupt-Bilder und was man alles zu glauben bereit ist.

© Petra M. Runge 2016

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Bild ganz oben: Courtesy of matjö raum für Kunst des BBK Köln

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