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Destry Rides Again – Der große Bluff

Marlene: La Dietrich mit Dauerwelle

Marlene Dietrich ist längst zum Mythos geworden. Keiner will mehr wahrhaben, wie die West-Deutschen sie beschimpften, als sie Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs als Sängerin in ihre Heimat kam. „Vaterlandsverräterin“ war da noch eines der milden Schimpfworte. Die Spielfilme, mit denen Sie in der frühen Zeit des Tonfilms ihren Weltruhm begründete, sind heutzutage wohl nur noch ausgewiesenen Fans geläufig. Dabei ließe sich so manches (wieder-)entdecken – vom wunderbaren „Der blaue Engel“ (1930) bis zum wunderbar-scheußlichen „Just a Gigolo“ (1978).

1939, vor einem Dreivierteljahrhundert, kam einer ihrer größten Erfolge in die Kinos: „Destry Rides Again – Der große Bluff“. Anlässlich des 75. Jubiläums der Uraufführung ist dieser Kino-Klassiker, damals als Western-Melodram beworben, berühmt geworden als Wild-West-Komödie, nun auf DVD und Blu-ray bei Koch Media – digital neu abgetastet – herausgekommen.

In der ersten Hälfte der 1930er Jahre lag Hollywood der, zunächst wohl als Garbo-Imitat betrachteten, deutschen Diva zu Füßen. Mit ihrer lasziven Darstellung der Lola Lola in der Verfilmung von Heinrich-Manns Professor Unrat oder Das Ende eines Tyrannen  hatte sie die Kinolpublikum erobert. Doch die Liebe währte nicht lange. Nach einigen Flops trampelte Hollywood auf der „blonden Venus“, wie einer ihrer erfolgreichen US-Spielfilme dieser Zeit hieß, herum. Sie galt als Kassengift. Lukrative Angebote blieben aus. Und: sie überwarf sich mit ihrem wichtigsten Partner, dem Regisseur Josef von Sternberg. Der hatte sie nach dem von ihm inszenierten „Blauen Engel“ in mehreren Epen als weltentrückten Vamp stilisiert, eine Alptraumfrau jenseits alles Menschlich-Allzumenschlichen, als gefallenen Engel mit übersteigertem Sex Appeal, als Männerverschlingendes Monster.Die Zeit verlangte nach toughen Mädels und selbstbewussten Frauen. Die Femme fatale hatte ausgedient (bis sie in den Filmen der so genannten „Schwarzen Serie“ der 1940er Jahre schaurig-schöne Wiederauferstehung feierte).

Marlene Dietrich war klug und sicher gut beraten, zuzugreifen, als ihr die Rolle der Abenteurerin Frenchy in „Destry Rides Again“ angeboten wurde. Zum ersten Mal durfte sie witzig sein, erdverbunden, handfest. Die üppige Mähne wurde durch eine Dauerwelle ersetzt. Aus der bis dahin unnahbar erscheinenden Göttin „La Dietrich“ wurde „Marlene“: eine intelligente Frau von nebenan. Ganz nebenbei reüssierte sie auch als erstklassige Interpretin verruchter Songs. Und, man kann es deuten als regelrechtes Fanal zum Imagewandel: sie zeigte sich als prügelndes Prachtweib. Die Szene, in der Marlene Dietrich als Frenchy, die Saloon-Lady, die alles, nur keine Lady ist, mit ihrer Kollegin Una Merkel (als Lily Belle Callahan) in der Rolle einer Prärie-Puritanerin höchst handfest argumentiert, gilt noch heute als größter Frauen-Faustkampf der Filmgeschichte.

Die Story ist simpel gestrickt: Sheriff mit Bubi-Face und ziemlich geziertem Gentleman-Gehabe, gespielt von James Stewart, will Ordnung in die von Gewalt und Gesetzlosigkeit beherrschte Kleinstadt Bottleneck bringen. Ausgerechnet Frenchy hilft ihm. Denn sie liebt ihn. Wofür sie bitter zahlen muss…

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Sentiment und Witz sind geradezu perfekt ausbalanciert. Großes Plus: Die Akteure, Könner noch in kleinsten Rollen, durften nicht nur Typen skizzieren, sie konnten Charaktere gestalten. Die Gags zünden noch immer, das Knistern zwischen Marlene Dietrich und James Stewart sorgt auch heutzutage für ein wohlig erotisches Knistern. Die Action ist zündend. Und wenn Marlene singt, schmelzen die Fans dahin. Der Song über die Jungs im Hinterzimmer, „The boys in the backroom“, wurde ein Hit, den Marlene bis ans Ende ihrer Karriere in ihren Konzerten sang.

See what the boys in the backroom will have,
And tell them I’m having the same.
Go see what the boys in the backroom will have,
And give them the poison they name.
And when I die, don’t spend my money
On flowers and my picture in a frame.
Just see what the boys in the backroom will have,
And tell them I sighed,
And tell them I cried,
And tell them I died of the same.

Auch 75 Jahre nach der Uraufführung besteht „Destry Rides Again – Der große Bluff“ als eine der besten Wild-West-Parodien der Filmgeschichte. Das ist neben allem schon Erwähnten dem pointierten Drehbuch, den Darstellern und der kultivierten Inszenierung von Regisseur George Marshall zu danken. Er demontierte das Genre der Pferdeoper nicht, sondern beleuchtete es mit  liebevollem Augenzwinkern. Das ist von zeitlosem Reiz. Das Besondere dieser DVD bzw. Blu-ray sind ihre Extras. Neben dem englischen Original aus dem Jahr 1939 sind vier verschiedene deutsche Synchronfassung aus den Jahren 1947 bis 2006 wählbar. Zusätzliches Hörvergnügen bereitet ein 1945 in Hollywood produziertes Radio-Hörspiel, in dem die Dietrich  nicht mitwirkte, James Stewart allerdings zu hören ist. Wer gut Englisch versteht, wird sich vor Wonne auf die Schenkel klopfen. Doch das A und O: Marlene Dietrich als singende, fluchende, prügelnde Frenchy. Keine vor ihr, zu ihrer Zeit, und nach ihr, konnte je so mit den Wimpern klimpern. Da wirkt es besonders scharf, wenn James Stewart sie in einer Schlüsselszene des Films auffordert, doch weniger Schminke aufzutragen. In dieser Szene gilt es, nicht nur gut zuzuhören; auch ein aufmerksamer Blick lohnt: man registriert begeistert, wie Kameraführung und Lichttechnik damals in einem Schwarz-Weiß-Film die Farbigkeit der Welt (und des Lebens) künstlerisch sehr viel eindrucksvoller spiegeln konnten als die Mehrzahl der bis heute herausgekommenen Farbfilme.

„Destry Rides Again“ dürfte nicht nur Marlene-Fans entzücken. Technisch bleiben durch die Neuabtastung weder auf der DVD noch auf der Blu-ray  Wünsche offen. Für die Synchronisation gilt wie immer: Das Original ist nicht zu übertreffen. Mit gesichertem Schulenglisch kommt jede und jeder durch. Kurz: Die Anschaffung lohnt unbedingt!

Peter Claus

Bilder: Koch Media

 

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Der große Bluff

Regie: George Marshall

USA 1939, 90 Minuten

DVD & Blu-ray bei Koch Media

FSK: ab 12 Jahren

 

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