Italien prescht vor – und schickt Alba Rohrwacher ins Rennen

Vor zwei Jahren hatte die Tochter einer Italienerin und eines Deutschen hier einen Riesenerfolg mit der Hauptrolle in Pupi Avatis „Il papà di Giovanna“. Diesmal ist sie eine der Protagonistinnen in der Romanverfilmung „la Solitudine die numeri primi“ (Die Einsamkeit der Primzahlen). Tapfer humpelt die hoch begabte Schauspielerin durch die von Saverio Costanzo prätentiös inszenierte Schmonzette. Erzählt wird von zwei Menschen. Erst Kinder, dann Jugendliche, dann schließlich Erwachsene, können sie ewig zusammen nicht kommen. Am Ende: ein Kuss. Davor: viel Elend, sehr viel Nebel und jede Menge schicksalsschwere Musi. Der Film will einen unentwegt zum Schneuzen bringen – und erreicht genau deshalb nix. Streckenweise durchaus spannend, geht einem der Kitsch gehörig auf die Nerven. Bei der Vorführung für die Internationale Presse hagelte es Buh-Rufe en masse.

Der Japaner Takashi Miike bietet in „13 Assassins“ auch Kitsch, doch weil er den durchweg leicht ironisch bricht, macht das dann Spaß. Sein Samurai-Spektakel erfreut durch nahezu völligen Verzicht auf Effekte, die am Computer erzeugt werden. Die Story um 13 Männer, die anno dunnemals zum Wohl des Landes einen

13 Assassins (Regie: Takashi Miike, Japan, Großbritanien 2010)

widerlichen, sadistischen Herrscher umbringen wollen, hat Rasanz. Die Kampfszenen sind exquisit choreographiert, das Schauspiel fesselt, und der Humor kommt auch nicht zu kurz. Beste Unterhaltung. Die will Regisseur Monte Hellman offenbar um jeden Preis vermeiden. Aber: Was will er denn? Sein Film „Road to Nowhere“ verrät es nicht. Von vielen als eigenwilliger Stilist gefeiert, denkt er hier anhand der Entstehungsgeschichte eines Filmprojekts über die Kunst des Kinos nach. Er tut zumindest so. Dabei kommt ziemlich breit getretener pseudophilosophisch gewürzter Quark heraus. Uninteressant. Interessant war, dass Jury-Präsident Quentin Tarantino zur Pressevorführung kam. Für ihn war der Beifall heftig. Für den Film nicht. Doch nun bangen manche. Denn: Hellman produzierte 1992 Tarantinos Erstling „Reservoir Dogs – Wilde Hunde“. Nun fürchten manche hier, dass sich Tarantino aus Verbundenheit blenden lässt und die Jury dazu bewegt, dem Film einen Preis zu geben. Auszuschließen ist das nicht. Aber es wäre doch arg verwunderlich.

Wundern würde ich mich auch, wenn Tom Tykwers „Drei“ von der Jury mit einem Preis bedacht werden würde. Die Reaktionen nach der Pressevorführung waren sehr unterschiedlich. Während viele nicht-deutsche Journalisten eher ablehnend reagierten, zeigten viele Deutsche Wohlwollen. Was ich nicht nachvollziehen kann. Ich mag den Film nicht. Die kleine Story von dem heterosexuellen Paar, das einen bisexuellen Mann als Dritten im Bunde erwählt, finde ich inhaltlich unoriginell – und ebenfalls nicht originell präsentiert. Mir ist die Gestaltung zu manieristisch. Da wird das Bild geteilt, muss Angela Winkler als tote Mutter eines der Männer als Engelsvision herumspuken, wird mir unentwegt die Kultur-Bildung der Macher mit Verweisen etwa auf die bildende Kunst und die Literatur um die Ohren gehauen. Zu viele Dialoge triefen mir zu sehr mit bildungsbürgerlicher Bedeutsamkeitsbehauptung vor sich hin. Und die Zeichnung des sozialen Milieus, eine hermetisch abgeschlossene Hübscherei, finde ich nur öde. Kurz: Für mich Langeweile pur. Und Sophie Rois, geliebt am Theater, etwa an der Volksbühne Berlin, macht mir einfach zu viel Theater. Aber, wie schon geschrieben: das Echo ist geteilt. Nicht wenige im Publikum fanden beispielsweise einige Dialoge sehr witzig und haben sich vor Lachen geschüttelt. Auf mich wirkte es nur spießig. Sicher: keine Katastrophe, aber auch kein großer Wurf.

Peter Claus