Glamour und Geist zur Eröffnung – der Start der 68. Internationalen Filmfestspiele von Venedig geriet nahezu perfekt

Strahlemann George Clooney brillierte als Drehbuchmitautor, Produzent, einer der Hauptdarsteller und als Regisseur. „The Ides of March“ (Die Iden des März) zeigt ihn in jeder Hinsicht auf der Höhe seines Könnens. Der teuflisch spannende Film mixt Elemente eines Polit-Thrillers mit denen einer Satire, eines Krimis, einer Liebestragödie und dazu einer moralischen Standpauke zu überaus effektvollem, massenwirksamen Unterhaltungskino von Format. Viel Futter für den Kopf. Die Geschichte blickt hinter die Kulissen eines fiktiven Wahlkampfs in den USA. Im Zentrum steht ein junger Mann, der Karriere im Geschäft des Wahlmanagements machen will. Er bestimmt im Wesentlichen, welche Schritte der Kandidat wann wo mit wem oder gegen wen unternimmt. Dabei wird seine Integrität auf eine harte Prüfung gestellt: Die Gegner wollen ihn kaufen. Wird er oder wird er nicht die Seiten wechseln?

Die Intelligenz der Story und insbesondere der Dialoge lässt den Film nie ins platte Agitieren abgleiten. Zwei Fragen vor allem bestimmen den Gang des Geschehens: Gibt es überhaupt Ehrlichkeit in der Politik? Und: Ist es nicht an der Zeit, dass sich Politikerinnen und Politiker endlich frei machen vom Diktat derer, die das Geld in der Hand haben und den Lauf der FDinge damit zum eigenen Vorteil nach Kräften manipulieren? Hochaktuell also – und wirksam umgesetzt. Ryan Gosling in der Hauptrolle, flankiert von Stars wie Marisa Tomey und Clooney selbst, brilliert als karrieresüchtiger Youngster, der lernen muss, dass moralische Skrupel in der bürgerlichen Gesellschaft fehl am Platze sind, wenn man Erfolg mit materiellem Verdienst gleich setzt. Wie schon geschrieben: Hochaktuell!

Nur auf den ersten Blick ins Gestern gehend: „Warriors of the Rainbow: Seediq Bale“, eine Koproduktion China/ Taiwan. Die Story, angeregt von Tatsachen, blickt auf das Jahr 1930 zurück: Taiwan wird von japanischen Besatzern kontrolliert. Die Ureinwohner werden als Primitivlinge abgestempelt und als billige Arbeitskräfte missbraucht. Bis ein Stammesfürst die Nase voll hat und zum Aufstand gegen die Unterdrückung aufruft. Regisseur Wie Te-Sheng hat sich zu einer epischen Erzählung entschlossen, die drastische Details nicht nur nicht ausspart, sondern geradezu lustvoll vorführt. Da werden Köpfe abgeschlagen, Bäusche aufgeschlitzt und mehr. Ausgedehnt auf etwa zweieinhalb Stunden deckt das die eigentliche (und weit über das historische Ereignis weisende) Problematik zu: Haben Geknechtete je eine Chance sich wirklich gegen ihre Herrscher erfolgreich zur Wehr zu setzen oder gilt nach wie vor das Gesetz, dass die Stärkeren, die die Schwächeren fressen. Weniger Hollywood-Touch und dafür mehr Geist im Sinne eines George Clooney hätte dem Film gut getan.

Glamour? Ja, klar. Der rote Teppich kam voll zu seinem Recht, die kreischenden Fans ebenso, die Journalisten nicht unbedingt, denn die ersten Pressekonferenzen waren mager in der Ausbeute. Clooney machte auf Spaßvogel und hatte keine Lust, politisch ernsthaft zu werden, und Marco Müller hörte einfach nicht hin, als die Frage aufkam, ob er die Festspiele nun wirklich als künstlerischer Chef verlässt oder nicht. Die Mehrzahl derer, die die Festspiele seit Jahren beobachten, hoffen, dass er bleibt. Der Mann versteht es einfach, Kunst und Kommerz einträglich miteinander zu verbinden.

Peter Claus aus Venedig, 31. August 2011

Bild: Warriors of the Rainbow: Seediq Bale (la Biennale di Venezia © 2011)