Die Kälte der spiegelnden Oberfläche

Michelangelo Antonioni war nur wenig älter als Ingmar Bergman, als dessen Geistesverwandter er gelten kann. Beide beschrieben die Einsamkeit des Menschen. Nur, dass Bergman mit gleichsam heißem Herzen tief einfuhr in die Seelen, während Antonioni die Kälte der spiegelnden Oberfläche zeigte, kühl und schön. Seine frühen Filme (Die mit der Liebe spielen, 1960, Die Nacht, 1961, Liebe 1962) haben mehr Impulse für das Kino der Moderne geliefert als Bergmans Arbeiten, sein radikaler Bruch mit den Konventionen des klassischen Erzählkinos wirkte stilbildend. Seine Popularität beim Publikum aber, und seinen einzigen kommerziellen Erfolg, erwarb er sich mit Blow up (1966), ein Großer Preis in Cannes und ein Welterfolg. Das Klicken des Verschlusses wieder und wieder, die Kamera als automatisches Gewehr. Der Fotograf als Jäger seiner Trophäen, denn im Eigentlichen liebt er die Abbilder des Wirklichen mehr als das Wirkliche selbst. Am Ende fängt er den imaginierten Tennisball und hört die Geräusche eines imaginierten Spieles. Er wird nicht mehr wissen, wo die Grenze verläuft zwischen dem Wirklichen und seiner Imagination: Die Welt als Wahrnehmung, als Oberfläche, als Design. Alles blankgeputzt, alles leer. Es gab noch andere Filme, Zabriskie Point (1969), Beruf: Reporter (1973), aber nie mehr diesen Erfolg. 1995, da lebte er schon, kaum noch der Sprache mächtig, seit zehn Jahren im Rollstuhl, Jenseits der Wolken, Wim Wenders half ihm dabei. Aber da war er wohl schon jenseits der Wolken. Den Platz dort wird ihm niemand nehmen.

Text: Henryk Goldberg

Michelangelo Antonioni starb am 30. Juli 2007