Happy Dancing

So hat nie ein Mann getanzt. So kraftvoll und so zärtlich, so verzehrend und so gebend, so inniglich und so elementar. So Kraft beziehend aus einer Quelle, die ihn unmittelbar verbinden muss mit der Erde, die er stampft. Wer einmal so zu tanzen vermag, und sei es nur für einen Augenblick, der hat ein Stück Ewigkeit gewonnen. Selbst, wenn er stirbt.

Anthony Quinn, der als Alexis Sorbas in dem Film von Michael Cacoyannis 1964 Weltruhm gewann, ist gestorben. Er hat 86 Jahre geschafft, über 100 Filme, 13 Kinder, drei Ehen, ungezählte Affären und den unvergänglichen Ruhm, einer der bedeutendsten Filmschauspieler des vergangenen Jahrhunderts gewesen zu bleiben. Sein jüngstes Kind wurde geboren, da war er 81. Wenn dieses Kind ein alter Mann ist, wird man ihm noch erzählen, von dem Tanz, den sein Vater tanzte. Als sein Tod, heißt es, nur noch eine Frage von Stunden war, erlaubten die Ärzte seiner 46 Jahren jüngeren Frau, sich zu ihm ins Bett zu legen.

Seine Mutter war 15, als sie ihn 1915 gebar, ein mexikanisches Mädchen, das auf einen Iren traf, der für Pancho Villas Revolution die Waffen führte. Der Junge schlug nicht ganz unten auf, er kam dort an. Er arbeitete im Schlachthof, im Taxi und im Boxring, für eine Handvoll Dollar. Das verwächst sich nicht. Er hat den harten Hund nicht erfunden, er hat ihn erlebt.

Nebenrollen bis Ende der vierziger Jahre. Dann übernahm er am Broadway die Hauptrolle in Endstation Sehnsucht von Marlon Brando, es wurde die erste Station hin zum Sehnsuchtsziel. Denn der Regisseur Elia Kazan, ein großer Entdecker, besetzte Quinn, neben Brando, in seinem Film Viva Zapata! (1952), das war der erste Oscar. Den zweiten erhielt er als Paul Gauguin in Vincent van Gogh, doch erinnerlicher, weil mit einem Stück Filmgeschichte verbunden, blieb der Zampano in Fellinis La Strada (1954) als Partner von Giulietta Masina. Zehn Jahre nach dem mordenden Schausteller wird er den tanzenden Griechen spielen und eine Ikone kraftvollen Menschseins hinterlassen.

Vielleicht überdauert dieses Szene auch deshalb: Weil sie die Hoffnung ins Bild nimmt, wie ein Mann kraftvoll und sensibel in einem zu sein vermag, wie die elementare, naturbelassene Vitalität sich zu behaupten vermag gegen den Homo faber, gegen den Ingenieur. Dabei, die Franzosen haben ihn zum Kommandeur der Literatur und Künste ernannt für seine Leistung als Maler.

Doch so wird nie wieder ein Mann tanzen und so sterben auch nicht viele. Irgendwie gehört das zusammen.

Autor: Henryk Goldberg

„Zum Tode von Anthony Quinn, der Sorbas war“: in Thüringer Allgemeine, Juni 2001, anlässlich des Todes von Anthony Quinn

Anthony Quinn starb am 03.06.2001