Ein langer Weg

Im Kino: „Unterwegs nach Cold Mountain“

Wenn Sie mich fragen, sagt Adas Vater, der seiner kranken Lungen wegen in Cold Mountain lebt. Ist die Aussicht hier sehr heilsam. Dass muss auch Anthony Minghella so empfunden haben mit seinem amerikanischen Patienten.

Und deshalb bietet er ihn und uns vor allem schöne Aussichten.

Anthony Minghella, dessen Englischer Patient ein Welterfolg des Erzählkinos war, versagt hier vollkommen. Er erzählt die Geschichte von Ada (Nicole Kidman) und Inman (Jude Law) während des amerikanischen Bürgerkrieges. Ein Kuss, eine Ahnung von Zukunft, dann kommt der Krieg. Inman desertiert und ist Unterwegs nach Cold Mountain. Ziemlich lange, 155 Minuten, von Station zu Station, von Episode zu Episode. Alle erzählen, gegen den Mainstream des amerikanischen Kinos nach den Twin Towers, sehr viel über die Schrecken des Krieges aber sie erzählen fast nichts über den, der sie erlebt.

Vor allem aber hat Jude Law auf dem Weg nach Cold Mountain nichts mit Nicole Kidman zu tun, die dort lebt und vermutlich als kühle Blonde ohnehin besser ist denn als vor Liebe vergehende Frau. Ihr Existenzkampf nach dem Tod des Vaters ist die bessere der beiden weitgehend getrennten Geschichten. Und ihr gönnt das Buch Rene Zellweger als Mitbewohnerin der Farm, gleichsam eine ländlich-deftige Schwester der Scarlet O‘Hara. Die kleine, heitere Menschengeschichte, die sie über die Selbstbehauptung von Frauen in männlichen Zeiten erzählt, ist um vieles interessanter als die großen Geschichten, die keine sind. Denn nie entsteht eine Beziehung der Protagonisten, nie geht von ihnen eine emotionale Energie aus.

Wer öfter ins Kino geht, der wird bemerken, dass Steven Spielberg mit der Eröffnung von Saving Private Ryan einen Standard gesetzt hat, an dem sich auch Minghella versucht in den Schlachtsequenzen.

Adas Vater stirbt sehr schön, ein Glas vom roten Wein und in der Bibel blättert der Wind. Die schönen Aussichten haben ihn so wenig gerettet wie den Film.

Autor: Henryk Goldberg

Text geschrieben  2004

Text: veröffentlicht in Thüringer Allgemeine

Bildquelle: Buena Vista