Der leere Raum

Oliver Stone erzählt mit viel Energie beinahe nichts über den großen Weltveränderer

Der Geier fliegt weit über das Schlachtfeld, er wird in jedem Falle gewinnen. Und zeigt uns die wunderbare Tafel, Gaugamela, die ihm bereitet ist.

Diese Schlacht ist ungleich besser als die vor Troja. Sie hat nur ein Problem: Obgleich sie wirklich statt fand, wissen wir hier nicht genau, wer sie warum führt. Es muss wohl sein, weil dieser blonde Junge ein Problem mit Mom und Dad hat. Obgleich dieser mehrmals nervende alte Mann uns erklärt. Diese Reise bestand auch aus einem Gedanken: die hellenische Ziviliation. Das ist in der Tat einer der großen Gedanken der Weltgeschichte. Das Griechische wurde zum Medium der christlichen Missionierung, die griechische Kultur eröffnete den Raum, darin das Christentum von einer jüdischen Sekte zu einer Weltreligion werden konnte. Und Alexander (356 – 323 v. Chr.) ist der imperiale Verbreiter dieses Gedankens, so ist die Wirkung dieses genialen Feldherrn in ihrer Konsequenz, eine kulturelle.

Nur, dass davon nichts zu sehen ist bei Oliver Stone, Weltgeschichte als leerer Raum. Nicht zu sehen ist vor allem, dass dieser blonde, austrainierte Junge (Colin Farrell) über ein Eigenes, nur ihm Zugehörendes verfügt, das ihn befähigt, eine der wenigen wirklich geschichtsprägenden, weltverändernden Gestalten zu werden. Dieses Eigene kann nur eine Art von
geistiger Energie sein, die ihn treibt. Denn die rein militärische Fähigkeit ist es nicht, die einen Mann vor zweieinhalbtauschend Jahren dazu treibt, von der Donau an den Hindukusch zu ziehen dergleichen gilt heute noch, mit Kreditkarten versehen, als eine Art Abenteuer.

Es gibt, was die Persönlichkeit betrifft, wenig Verlässliches über Alexander und Oliver Stone hatte wohl zu viel Respekt vor der historischen Figur, diese Leerfläche zur Projektionsfläche eines eigenen Entwurfs zu nutzen. So ist dieser Junge, denn das ist er, psychoanalytisch eingeklemmt zwischen eine pseudo-dämonischen Mutter (Angelina Jolie haarscharf vor der Parodie) und einem brutalo-dämlichen Vater (Val Kilmer). Und natürlich von seinem verehrten Heldenbild Achill, wie dieser seinen Patroklus so hat Alexander seinen Hephaistos. Doch wenn er von seiner Sehnsucht nach Unsterblichkeit spricht, so ist das nur Behauptung, der Schauspieler lebt das nicht einen Augenblick.

Natürlich kann Stone inszenieren, visuell vereinnahmen. Es gibt eine animalisch-ästhetisch choreografierte Hochzeitsnacht, es gibt betörende Schlachten. Stone ist fasziniert von Alexanders Versuch, zwei Kulturen  die griechische und die persische, zu verschmelzen, aber einen eigenen Entwurf für diese Persönlichkeit hat er nicht. Und doch, dieser merkwürdige Film ist besser als Troja, denn er lässt eine Energie, eine Ernsthaftigkeit spüren. Allerdings, hier erzählt einer mit dieser Energie beinahe nichts. Aber diese Energie bewirkt, einen aufmerksamen Blick. Es ist ein Blick in einen leeren Raum.

Autor: Henryk Goldberg