Hermes nervt im Hades

Ausgerechnet das einzige noch in Betrieb befindlichen Eingang zum Hades findet Mimi Nachtigall.  Das
ist sehr bedauerlich. Denn dort unten trifft er Hermes Aphroditos und der
steht in der Liste der Entbehrlichkeiten ganz, ganz oben.

Allerdings, man wird diesen ganzen Film entbehrlich nennen dürfen. Und es
erscheint weitgehend unklar, wie zwei ausgewiesenen Künstlern, wie es Helmut
Dietl und Patrick Süskind sind, so eine Peinlichkeit unterlaufen konnte, wie
es Vom Suchen und Finden der Liebe ist. Gewiss, manchmal gibt es Bilder und
Szenen, denn Dietl ist ein richtiger Regisseur. Gewiss, manchmal gibt es
Dialoge, denn Süskind ist ein richtiger Regisseur. Aber eine Geschichte gibt
es nicht, und so hat der eine nichts zum Schreiben und der andere nichts zum
Inszenieren. Der Komponist Mimi Nachtigall (Moritz Bleibtreu) und die
Schlagersängerin Venus Morgenstern (Alexandra Maria Lara) lieben einander
inniglich, sieben Jahre lang. Er löst seinen Kummer suizidal, sie folgt ihn
in den Hades, und dann machen sie die Orpheues-und-Eurydike-Nummer, viel
Gluck im Off. Und dieser Einfall  hat Dietl und Süskind wohl so überwältigt,
dass sie den Rest, die große Liebe, hastig abspulen mit dieser
eins-zwei-drei-im-Sauseschritt-Dramaturgie. Sieben Jahre im Off erzählt,
vorbei. Schnell in den Hades. Und dort haben sie weder etwas zu erzählen
noch zu zeigen. Heino Ferch als göttlicher Hermaphrodit ist eine
ausserordentliche Peinlichkeit und ist doch der einzige Einfall für die
Reise in die Unterwelt. Das eigentliche Problem aber ist wohl die
unentschiedene, unsouveräne  Haltung zum Stoff: Zwei ältere, aber schwer
poetische Herren in Betrachtung der Liebe. Ach ja. Uff.

Autor: Henryk Goldberg

Text geschrieben  2005

Text: veröffentlicht in Thüringer Allgemeine

Bild: Constantin Film