Ich & Orson Welles, © farbfilm Verleih

Orson Welles (1915 bis 1985) gilt als Magier vieler Künste. Radio, Theater, Kino, Zirkus, Varieté – dem Jongleur der Phantasie fiel immer etwas ein. Sein 1941 uraufgeführtes Spielfilmdebüt „Citizen Kane“ gilt als einer der besten Filme aller Zeiten. Nun huldigt ein Spielfilm dem legendären Künstler und stellt ihn zugleich als Mensch in Frage.

Richard Linklater gilt seit seinem Erstling, dem Kurzfilm „Woodshock“ (1985), und seinem zehn Jahre später herausgekommenen Welthit „Before Sunrise“ als Wunderkind des unabhängigen Kinos made in USA. Von den Industriegiganten in Hollywood oft schnöde missachtet, liegt seine Sympathie für den Rebellen der Traumfabrik Orson Welles, der nie mit dem Big Business zurecht kam, auf der Hand. Allerdings: Man muss nichts über Orson Welles wissen, und man muss auch keinen einzigen seiner Filme gesehen haben, man muss auch nichts über Linklater wissen, um einen Heidenspaß an der geistreicher Komödie „Ich & Orson Welles“ zu haben!

Der Film blickt in die Mitte der 1930-er Jahre: Der 22-jährige Welles (Christian McKay) inszeniert in New York Shakespeares „Julius Caesar“. Um sich herum hat er eine Schar geradezu fanatisch gläubiger Anhänger versammelt. Mädchen für alles, für wirklich alles, ist die bildschöne Sonja (Claire Danes). Der gerade mal 17-jährige Theaternovize Richard (Zac Efron), den Welles für ein beachtliches schauspielerisches Talent hält, verliebt sich in sie. Mit Konkurrenz auf der Bühne wird Welles locker fertig. Im Bett kennt der Hochbegabte jedoch nur eine Waffe: Tyrannei. Richards Kampf um Sonja scheint von Anfang an aussichtslos zu sein. Aber manchmal soll der Schein ja trügen…

Richard Linklater entfacht ein Fest nicht nur für Theaterfans. Voller Liebe zur Bühne fängt er die falschen Töne hinter den Kulissen ein und huldigt dabei ohne Wenn und Aber dem künstlerischen Gigant Orson Welles – und der Lust am aufrechten Gang in jeder Lebenslage. Ohne je in die Karikatur abzugleiten, wird dabei all das Kleingeistige eines großen Mannes deutlich. Dabei entsprechen die Akteure der luftig-feinen Inszenierung perfekt. Claire Danes begeistert mit lakonischem Sex Appeal und Intelligenz, Zac Efron mit jugendlichem Übermut und erotisch aufgeladener Männlichkeit. Der bisher kaum bekannte Brite Christian McKay verkörpert Orson Welles pointiert, rasant, flirrend. Meisterhaft zeigt er Licht und Schatten des Genies und Menschenschinders. Ganz wunderbar ist der dabei aufleuchtende Humor. McKays Spiel erinnert an eine der vielen Anekdoten, die um Orson Welles kreisen: In den 1950-er Jahren kämpfte er sich bei einem Jahrhundert-Schneesturm durch Chicago ins Theater. Das Publikum war dünn gesät. „Guten Abend”, begrüßte er die wenigen Zuschauer. „Ich bin Orson Welles – Regisseur, Produzent, Schauspieler, Impresario, Autor, Künstler, Magier, Star der Bühne, des Films und des Radios, und ein verdammt guter Sänger. Warum sind so viele von mir hier – und so wenige von Ihnen?

Am Ende des Films gibt es übrigens kein vorausberechenbares Happy Ende, jedoch eine sehr schöne Pointe. Die lässt hoffen, dass die Kunst mitunter einen Menschen oder gar zwei zum Besseren bewegen kann. Natürlich, keinen selbstverliebten Supermann wie Orson Welles, aber vielleicht doch den einen oder anderen Durchschnittsbürger.

Text: Peter Claus