Nach Marlene Dietrich und vor Ute Lemper war Hildegard Knef im 20. Jahrhundert wohl die einzige deutsche Schauspielerin und Sängerin, die sich, zumindest zeitweise, Weltruhm erarbeiten konnte. Sie starb 2002 mit 76 Jahren. Nur sieben Jahre nach ihrem Tod versucht sich nun der biographische Spielfilm „Hilde“ an einer Chronik der ersten wichtigen etwa zwanzig Jahre ihres Berufslebens – und scheitert blamabel.

Sehenswert sind einige Momente in der Rahmenhandlung: 1966 startet die Knef mit einem umjubelten Konzert in der (West)-Berliner Philharmonie ihre Karriere als Sängerin. Ankunft in der Stadt, trügerische Ruhe vor dem Bühnenauftritt, schließlich der Beginn der Show sind die Stationen. Hier darf Hilde-Darstellerin Heike Makatsch eine Frau in Anspannung zeigen, eine Künstlerin, die Angst hat, vor dem was kommt, und die sich ihrer selbst zugleich vollkommen sicher ist. Heike Makatsch gelingt es, diesen Widerspruch stumm zu zeigen, im Gesicht zu spiegeln, in wenigen Bewegungen. Da kommt Spannung auf.

Ansonsten aber fehlt diese. Regisseur Kai Wessel und Autorin Maria von Heland, die siebzehn (!) Drehbuchversionen verschlissen, ist nichts weiter eingefallen, als mal hier, mal da im Lebensbuch der Knef zu blättern: Schauspielunterricht im Zweiten Weltkrieg, Liebe zu einem Nazi zur selben Zeit, die Premiere ihres ersten wichtigen Spielfilms („Die Mörder sind unter uns“), nach dem Krieg dann die Ehe mit einem US-Amerikaner deutsch-jüdischer Herkunft, der Rummel um eine (in „Hilde“ nicht gezeigte) Nacktszene im deutschen 50-er-Jahre-Spielfilm „Die Sünderin“, Pech in Hollywood, Erfolg am Broadway, schließlich die Beziehung zum Schauspieler David Cameron, Ehemann Nummer zwei, der sie ermuntert, sich als Autorin und Interpretin von Chansons zu profilieren.

Bezeichnend für den Stil: Wichtige Filmerfolge werden als flüchtige Montage von Plakatmotiven erwähnt. Hier wird alles nur flüchtig gestreift: deutsche Historie, die Schatten der Traumfabrik in der ewigen Sonne Kaliforniens, Szenen zweier Ehen. Einen dramatischen Spannungsbogen gibt es nicht, ja, nicht einmal eine Story. Der Film ist von erschreckender Leere der Gedanken und Bilder. Alles sieht nach Dekor aus, nach Studio, gestellt und gestelzt. Wenn etwa zu Beginn des mehr als zwei Stunden dauernden Films die Ankunft der Knef auf dem Flughafen Berlin-Tempelhof gezeigt wird, ist das geradezu lächerlich. Denn um das Flugzeug, in dem sie angekommen ist, und ein paar Statisten, die an der Treppe Presse imitieren, ist alles leer und leblos. So muten durchweg die Szenen und insbesondere auch die Dialoge an. Sie wirken, als wären Stanzen aus Knef-Zitaten zusammengesetzt worden. So brüllt die Film-Knef beispielsweise theatralisch-verbissen in privatem Umfeld „Ich hasse den Hass!“.

Bezeichnend für die Unbedarftheit des Projekts ist schon der Titel, „Hilde“. Die Nennung des Vornamens will Nähe suggerieren. Aber in jeder Einstellung ist zu spüren, dass keiner der Beteiligten je eine wirkliche Nähe zu Hildegard Knef hatte. Sonst wäre es beispielsweise nicht zu der Peinlichkeit gekommen, die Diva ohne jeden dramaturgischen stimmigen Grund in Unterwäsche, im Höschen, zu zeigen. Das ist geschmacklos und gehört sich einfach nicht.

Hauptdarstellerin Heike Makatschs hat etwa im Fernsehzweiteiler „Margarete Steiff“ (2005) ihr Können bewiesen. Diesmal hatte sie keine Chance dazu. Man spürt, wie viel Herzblut sie in das Projekt gesteckt hat, aber man sieht eben auch, wie sie sich gemüht hat, ja, geradezu abgerackert, und deshalb sie tut einem nur leid. Äußerlich auf Knef getrimmt, die Stimme unentwegt ins Gutturale gedrückt, kommt sie nicht gegen die Blutleere des Drehbuchs an. Sie klimpert mit den Wimpern und sie krächzt fast alle Sätze wie Schlachtrufe und geht im Nichts des Geschehens unter. Und sie singt. Das konnte die Knef nicht wirklich. Aber: Die Knef konnte das Singen perfekt spielen. Jeder Atmer, jedes Vibrato, jedes Schliddern über die Töne machte Effekt. Das ist der Unterschied: Die Schauspielerin Knef spielte die Sängerin Knef. Dieser Zwischenschritt – das Spielen, dass da jemand etwas vorspielt, und das mit packendem Gefühl – fehlt bei Heike Makatsch. Darum wirkt sie wie eine bemühte Kopie. Was nicht ihr anzulasten ist! Hätte die Regie sie ermutigt, einfach sie zu sein, alles „Knefeln“ zu lassen, hätte das Drehbuch ihr dazu mitreißende Situationen und fesselnde Texte geliefert, und hätte man sie singen lassen, wie sie singt, dann hätte dies die Rolle ihres Lebens werden können.

Hildegard Knef wurde in Deutschland bejubelt und beschimpft und hat sich immer wieder hoch gerappelt. Das Beste, was Heike Makatsch passieren kann, ist, dass dieser Film ganz schnell vergessen wird. Und dass ihr jemand rasch eine klug ausgearbeitete Rolle in einem guten Film gibt. Denn sie hat das Zeug dazu, zu überzeugen. Man hat etwas Angst, dass einer der berühmtesten Knef-Songs mit diesem Film zur bitteren Wahrheit für sie werden könnte: „Von nun an ging’s bergab.“


Text: Peter Claus