Schreckliches „Jubiläum“: Vor 25 Jahren, vor einem Vierteljahrhundert, am 26. April 1986, einem Samstag, geschah der so genannte Super-GAU im Atomkraftwerk im damals sowjetischen Tschernobyl. Darauf blickt der russische Regisseur Alexander Mindadze nun zurück. Doch er bietet keine Episoden des Schreckens. Er zeigt, wie das Grauenvolle oft einfach nicht zu erkennen ist.
Wo das Kommerzkino vermutlich mit drastischen Szenen arbeiten würde, lässt sich der russische Drehbuchautor und Regisseur Zeit und Ruhe, folgt einem fast dokumentarisch erscheinenden Gestus. Der Wahnsinn des Lebens im Banne der Kernenergie wird dadurch besonders klar. Den Film gerade jetzt, unter dem aktuellen Eindruck der Ereignisse im japanischen Fukushima sehend, steigt ungeheurer Zorn in einem auf. Denn es stellt sich mit Macht die Frage, wieso die politisch Verantwortlichen nicht schon vor 25 Jahren weltweit eine Ächtung der Kernenergie durchgesetzt haben, so lange diese nicht wirklich vollkommen beherrschbar ist.
Anti-Held des Films ist der junge Parteisekretär Valerij (Anton Shagin). Er weiß Bescheid. Aber die so genannte Parteidisziplin zwingt ihn zum Schweigen. Valerij ist klar, dass er vor den todbringenden Strahlen fliehen müsste. Er ist sogar so gut informiert, dass ihm dämmert, wie groß die Gefahr wirklich ist und dass es möglichwerweise schon längst auch für ihn zu spät sein könnte. Doch er schweigt. Und er bleibt. Ein kaputter Schuh, ein verpasster Zug, ein Hochzeitsfest halten ihn. Unbekümmertheit und Dummheit in furchtbarer Allianz. Und die Sonne lacht dazu …
Mit dem Wissen um das Danach entwickelt der leise Film eine beklemmende Wirkung. Die vermutlich ersten Strahlenopfer, die erscheinen, sehen aus wie Urlauber, die sich etwas zu lange haben bräunen lassen. Sie, die Protagonisten, sind ahnungslos. Wir, die Zuschauer wissen: Hier hilft keine Kosmetik. Das gilt vor allem auch im übertragenen, im Großen, die Menschheit betreffenden Sinn!

Peter Claus

[media id=44]

An einem Samstag, Alexander Mindadze (Russland/Ukraine/Deutschland 2011)

Bilder: NFP