Ein Mensch vergeht, er rieselt dahin, Sandhäufchen für Sandhäufchen wird er weniger. – Das ist die höchst originelle Ausgangsidee dieses Schweizer Spielfilms, der im Januar den Publikumspreis beim Festival um den Max Ophüls Preis in Saarbrücken gewann.

Die Hauptfigur ist Benno, ein Bohemien wie aus dem Bilderbuch, immer schnieke gekleidet, und mit vielen Flausen im Kopf. Benno, der so gern ein großer Dirigent wäre, seinen Lebensunterhalt jedoch in einer Briefmarkenhandlung verdient, hat ein Problem: Jeden Abend, wenn er sich in Zürich zu Bett legt, tönt Krach aus dem kleinen Café unter seiner augenscheinlich auch sehr begrenzten Wohnung zu ihm. Schuld daran ist Sandra. Tagsüber Bedienung, übt die junge Frau nach Feierabend für eine Karriere als Alleinunterhalterin mit einigen und eigenartigen Instrumenten. Zuhörer hat sie keine, sie ist allein in dem geschlossenen Café. Doch sie träumt sich lautstark in die Rolle der gefeierten Diva. Benno ist sauer. Also rastet er regelmäßig aus und rast runter. Er schimpft. Er tobt. Sehr uncharmant macht er Sandra klar, dass sie kein Talent hat, und auch, dass sie zu hässlich für eine Karriere sei. Sie reagiert mit noch mehr Musik…

Irgendwann merkt der genervte Benno, dass er Sand verliert. Es rieselt aus den Ärmeln, aus den Hosenbeinen, überall. Erst nur ein paar Körner, dann Unmengen. Beunruhigt fragt sich der junge Mann, ob er durchdreht, ob er träumt, ob das real ist. Und er hinterlässt Spuren aus Sand. Es dauert einige Zeit, ehe er kapiert, weshalb er versandet. Und da steht er dann vor dem Problem, ob er lieber auf einem Kinderspielplatz anonym im Sandkasten endet, oder ob er den einzigen Menschen auf der Welt, den er um nichts bitten möchte, um Hilfe anfleht, Sandra…

Schon der Soundtrack macht klar, dass ein Märchen erzählt wird. Eines, das wie alle Märchen, verdammt düstere Momente hat. Allerdings überwiegt das Komödiantische. Das Hauptdarsteller-Duo serviert’s mit Verve. Fabian Krüger, bekannt vom Zürcher Schauspielhaus und vom Wiener Burgtheater, und Irene Brügger, in der Schweiz als Alleinunterhalterin Frölein DaCapo durch zahlreiche TV-Auftritte sehr populär, nehmen sofort mit schön schrägem Charme und kauziger Skurrilität gefangen. Die beiden Kino-Debütanten bieten ein komödiantisches Kabinettstück nach dem anderen. Und wenn die Story dann zur Lovestory wird, knistert es auch angenehm zwischen den Zweien. Ein hinreißendes Paar.

Drehbuchautor und Regisseur Peter Luisi hat Traum und Realität originell und pointiert miteinander verwoben. Dabei überwiegt eher leiser, denn schenkelklopfender Humor. Angenehm fällt auf, dass er das Zerrieseln der Hauptfigur nicht mit tricktechnischer Effekthascherei umgesetzt hat. Es passiert ganz simpel, und damit meist fast nebenbei, was besonders wirkungsvoll ist. Damit bietet der Film beste Sommerunterhaltung, die einen durchaus auch anregt, ein wenig darüber nachzudenken, was sich vielleicht im Persönlichen ändern sollte, damit das eigene Leben nicht zu Sand verrinnt.

Peter Claus

Ein Sommersandtraum, Peter Luisi (Schweiz 2010)

Bilder: Neue Visionen