Frau trauert ohne Halt einer Verstorbenen nach, versucht den Verlust im Pariser Nachtleben zu kompensieren und landet im Nichts gefälliger Gefühlskälte. – Das klingt nach ziemlichem Unsinn. Doch Regisseurin Laure Charpentier nutzt die Anfang der 1960er Jahre spielende Reflexion über die Möglichkeiten (und vor allem Grenzen) der Seele zu einem Gesellschaftspanorama von erstaunlicher Gegenwärtigkeit. Die Fragen die sie stellt, allesamt Fragen nach dem richtigen Verhältnis von individueller und sozialer Verantwortung, haben nicht an Dringlichkeit verloren. Faszinierend: die Gestaltung. Nie hat Kitsch eine Chance. Charpentier setzt auf kühles Sezieren von Situationen und Charakteren. Das ist nicht gerade gefällig aber überaus spannend. Auffallend: Nacktheit und Gewalt, die in der Szene, durch die sich die Hauptfigur bewegt, eine nicht gerade kleine Rolle spielen, kommen ins Bild, wirken jedoch nie aufgesetzt oder gar aufdringlich. Laure Charpentier arbeitet durchweg überaus stilvoll. Hauptdarstellerin Lou Doillon, die Tochter von Schauspielstar Jane Birkin und Regisseur Jacques Doillon, entspricht dem mit eckigem, spröden Charme. Sie versucht nicht, einen im Handumdrehen auf die Seite der jungen Frau zu ziehen, sondern sie zeigt die Facetten ihrer Trauer und deren Folgen mit soviel Selbstverständlichkeit und Gelassenheit, dass man gar nicht anders kann, als sich zu ihrem Komplizen zu erklären.

Peter Claus

Gigola, Laure Charpentier (Frankreich 2010)

Bilder: Pro-Fun