Bilder, Skulpturen, Popsongs, Romane, Filme, Theaterstücke und unzählige Gerüchte über ihren Aufstieg und Fall – auch fünf Jahrzehnte nach ihrem tragischen Tod ist Marilyn Monroe omnipräsent. Zu Lebzeiten von den Bossen der Filmindustrie als Inbegriff der doofen Blondine ausgebeutet, sind ihre schauspielerischen Fähigkeiten heute allgemein anerkannt. Filme wie „Bus Stop“, „Some Like It Hot“ und insbesondere „The Misfits“ zeugen davon, dass sie tatsächlich das Zeug zur herausragenden Charakterinterpretin hatte. So weit, so traurig. Doch noch ein Film? Die TV-Adaption von Joyce Carol Oates Bestseller „Blond“ hatte doch schon alles bestens gezeigt. Hatte sie eben nicht. Dieser Film erinnert auf heitere Art an die Legende mit einem Blick auf eine klitzekleine Anekdote – und erzählt damit ungemein viel über den Star, die Frau und über eine Welt, in der es Sensible, wie berühmt sie auch sein mögen, immer schwer hatten und wohl auch immer schwer haben werden.

Die Geschichte blendet zurück auf den Sommer 1956. Die 30-jährige MM (Michelle Williams) ist einer der zugkräftigsten Kassenmagneten Hollywoods. Mit ihrem kindlich-naiven Sex Appeal gilt sie als Traum aller Männer. Für den einige Jahre jüngeren Briten Colin Clark (Eddie Redmayne) ist sie das tatsächlich. Als dritter Regieassistent während der Dreharbeiten von „Der Prinz und die Tänzerin“, inszeniert von Laurence Olivier (Kenneth Branagh), der auch die männliche Hauptrolle spielt. Die weibliche spielt Marilyn Monroe, die ihren neuen Mann, den Schriftsteller Arthur Miller (Dougray Scott), im Schlepptau hat. Schlecht im Textlernen, unpünktlich, von Ängsten getrieben und deshalb launisch, erobert die Diva die Herzen der Mitarbeiter nicht. Olivier würde ihr am liebsten den Hals umdrehen. Colin Clark aber versteht sie. Er und sie liegen irgendwie auf einer gedanklichen Ebene. Was die Dreharbeiten erheblich erleichtert. Der junge Mann wird ihr Vertrauter und Mädchen für alles. Und sogar so etwas wie ein Liebhaber. So etwas? Was das heißt, sehe sich jeder selbst im Kino an!

Michelle Williams ist nicht die Monroe. Doch es gelingt ihr mit herzerweichender, erschütternder Intensität, die komplizierte Persönlichkeit der Ikone spürbar werden zu lassen- und sogar jene geradezu überirdisch erscheinende Aura, von der die Monroe einst umstrahlt wurde. Michelle Williams imitiert die Monroe gelegentlich, wenn es gilt, die Film-im-Film-Ebene zu bedienen, und sie erforscht sie, da die Monroe fern des Schweinwerferlichts beobachtet wird. Da sind denn einige zarte Szenen entstanden, die in der Filmhistorie ihresgleichen suchen.

Hat sich die Episode damals wirklich so zugetragen? Der wirkliche Colin Clark behauptet es. Falls nicht, schwindelt er überaus geschickt, indem er sich keineswegs als makellosen Helden darstellt. Eddie Redmayne spielt ihn mit gehörigem Charme und dürfte mit dieser Rolle den Grundstein für eine solide Karriere legen. Einziges Ärgernis: der eitle Kenneth Branagh als eitler Laurence Olivier. Ihm wurden von Drehbuch und Regie ein paar Szenen zu viel eingeräumt, so dass die anfängliche Freude an der ironischen Zeichnung des eitlen Superstars von anno dunnemals (dessen „Hamlet“ noch heute magische Anziehungskraft verströmt!) irgendwann in Genervtsein umschlägt. Egal: Michelle Williams lässt einen diesen einen Einwand vergessen. Die Erinnerung an Marilyn Monroe  aber bekommt durch sie neue Leuchtkraft. Man verlässt das Kino und ist sich sicher: Wenn einmal nichts von der siebten Kunst übrig sein sollte, Marilyn Monroe wird bleiben.

Peter Claus

My Week With Marilyn, von Simon Curtis (England/ USA 2012)

Bilder: Ascot Elite