Die Dänen haben mal wieder einen Hit gelandet – allerdings fern von Dogma- und anderen neueren Erzählregeln. Der Kostümfilm „Die Königin und ihr Leibarzt“ folgt altgedienten dramaturgischen Mustern. Und genau darin scheint ein Grund für den Erfolg zu liegen: Jedefrau und Jedermann kann der Story um Grundfragen menschlichen Miteinanders ohne große Anstrengung folgen.

Die Geschichte folgt, basierend auf einem Bestseller, historischen Fakten: Der deutsche Arzt und Aufklärer Johann F. Struensee gewinnt in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts großen Einfluss auf den dänischen König Christian VII. und gewinnt so einige Macht im politischen Alltag. Dies insbesondere auch, weil der Monarch weithin als geisteskrank gilt. Heutigen wissenschaftlichen Erkenntnissen nach war er vermutlich manisch-depressiv. Struensee war einige Zeit der tatsächliche Regent. Was, ganz klar, die um ihre Pfründe fürchtenden Vertreter der bisherigen Macht erst zittern und dann zu Gegenmaßnahmen greifen lässt. Die tatsächliche oder eventuelle auch nur erfundene Liebe zwischen Struensee und Königin Caroline Mathilde eröffnet der Reaktion alle Mittel und Möglichkeiten, sich zur Wehr zu setzen. Als dann auch vieles darauf hindeutet, dass Struensee Caroline Mathilde geschwängert hat, ist das Schicksal des Paares besiegelt. Mit ihm wird zudem der Fortschritt aus dem Königreich verbannt.

Im Februar gab’s auf der Berlinale gleich zwei Silberne Bären. Kurze Zeit später mauserte sich der Film in Dänemark zu einem der finanziell erfolgreichsten aller Zeiten. Regisseur Nikolaj Arcel gelang eine wirksame Melange aus Krimi, Historiengemälde und Psychodrama mit einigen delikat inszenierten erotischen Szenen. Opulente Bilder und ein flotter Ton der Erzählung sorgen für Spannung und Schauwert. Beides wird vom exzellenten Darsteller-Ensemble unterstützt. Der vor einigen Jahren als „Bond“-Bösewicht bekannt gewordene Mads Mikkelsen brilliert in der Hauptrolle des Struensee mit rauem Sex Appeal und verschlagener Intelligenz. Neben ihm setzt Mikkel Følsgaard in der Rolle des Königs Glanzlichter, wofür es zu Recht einen der Berlinale Bären in Silber gab, und verleiht Alicia Vikander der Königin Schönheit und Weltgewandtheit.

Den zweiten Silber-Bär gab es in Berlin für das Drehbuch. Eine kluge Entscheidung. Denn anders als in jüngeren Filmen um historisch verbürgte Persönlichkeiten, beispielsweise „The Iron Lady“, beschränkt sich dieser Film nicht auf Anekdötchen und Privates, sondern bezieht die Zeitgeschichte kritisch mit in die Handlung ein. Dadurch bekommen die verhandelten Fragen um Moral und Mitmenschlichkeit Gewicht – und weisen über das Geschehen weit hinaus, nämlich mitten in unsere Gegenwart.

Peter Claus

Die Königin und der Leibarzt, von Nikolaj Arcel (Deutschland/ Dänemark 2012)

Bilder: MFA+