Der reißerische Titel lässt Schlimmstes befürchten. Das trifft nicht ein. Die Geschichte einer Studentin, tief im Osten Europas, in Ljubljana, die mit Prostitution das Glück erkaufen will, setzt kaum auf Reißerisches. Schwarz-grau dominiert – in Bild und Stil. Regisseur und Autor Damjan Kozole nutzt durchaus Krimi-Elemente, konzentriert sich jedoch auf nuancenreiche psychologische und soziale Studien.

Die Geschichte setzt durchaus auf Spannung. Doch das Entscheidende ist das Gesellschaftspanorama, das entworfen wird. Es geht vor allem darum, dass die Studentin nach außen hin auf Deibel komm raus als „ehrbar“ gelten will. Niemand darf wissen, was Aleksandra unternimmt, um sich die Ehrbarkeit finanziell leisten zu können.

Der slowenische Filmemacher Damjan Kozole war vor knapp zehn Jahren mit „Spare Parts“ im Berlinale-Wettbewerb. Der Mann versteht sein Handwerk. Dokumentarisch anmutende Szenen, karg, nüchtern, düster, weitestgehend fern von Klischees, dominieren und ziehen in ihren Bann. Hauptdarstellerin Nina Ivanišin, einer Laienschauspielerin, gelingt es, die Figur der Prostituierten als Symbol für die Situation einiger osteuropäischer Länder: mit Prostitution im übertragenen Sinn wollen sie sich einen westlichen Lebensstil erobern. Das muss schief gehen. – Und als Zuschauer aus dem Westen fragt man sich bestürzt, warum sie den Mist, dem wir hier alltäglich ausgesetzt sind, unbedingt haben wollen. Gibt es denn wirklich keine lebenswerte Alternative? Eines macht „Callgirl“ klar: Auf jeden Fall gibt es derzeit wohl keine positiven gesellschaftlichen Utopien mehr. Die Prostitution der Politik gegenüber der Wirtschaft hat sie verramscht.

Peter Claus

Callgirl, von Damjan Kozole (Serbien, Kroatien, Deutschland, Slowenien 2009)

Bilder: Farbfilm (Barnsteiner)