Adaption eines Bühnenerfolgs um Erwachsene, die sich kabbeln und streiten – „Der Gott des Gemetzels II“? Im ersten Moment sieht es so aus, als wolle sich „Der Vorname“ tatsächlich an Roman Polanskis erfolgreiche Verfilmung von Yasmina Rezas Theaterhit anhängen. Doch dem ist nicht so. Denn Stil der Inszenierung und die Intentionen sind völlig anders.

Polanski haut lautstark auf die moralische Pauke. Das Regie-Tandem Matthieu Delaporte und Alexandre de La Patellière aber will mit der Kinoversion des eigenen Theaterstücks in erster Linie unterhalten und überlässt es allenfalls dem Publikum, moralische Fragen zu stellen, falls jemand dazu Lust hat. Die rasante mit viel Wortwitz gespickte Geschichte stellt fünf Personen mittleren Alters vor. Ausgangspunkt ist ein Treffen zum gemeinsamen Essen. Vincent, er ist bereits über 40, langweilt sich und verrät, um Schwung in den Laden zu bringen, den Vornamen des Babys, auf das er und seine Frau warten. Und dieser Name ist nur schwer zu verdauen: Adolf. Die Übrigen reagieren mit Entsetzen. In Paris ist der Name des deutschen Diktators absolut verhasst. Hat Vincent den Verstand verloren? Aus dieser Frage resultiert eine Schlacht der Argumente, voller Verdächtigungen. Das wiederum führt dazu, dass mehr als eine Lebenslüge aufgedeckt wird. Die Runde muss so einiges schlucken.

Matthieu Delaporte und Alexandre de La Patellière bauen in erster Linie auf schneidend scharfe Dialoge. Jede Pointe hat einen doppelten Boden. Jedes Lachen resultiert aus Düsterem. Dabei frappiert, wie es gelungen ist, die Dialoge (und somit alle Theatralik) in Filmbilder zu übersetzen. Die Bildgestaltung und natürlich das großartige Spiel der Akteure, lassen einen bald vergessen, dass die Vorlage für die Bühne geschrieben wurde. So geht man ziemlich gut unterhalten aus dem Kino. Und hat auch einige durchaus ernstere Gedanken im Gepäck. Der an sich legitime Spruch, dass jeder Mensch das Recht auf seine eigene Lebenslüge hat, wird hier nämlich auf überraschende Weise in Frage gestellt.

Peter Claus

Der Vorname, von Matthieu Delaporte und Alexandre de La Patellière (Frankreich 2011)

Bilder: Warner