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Aus Cannes kam die Kunde, dies sei ein herausragender, überaus kunstsinniger Film. Hm… Das lässt darauf schließlich, dass die Angebotspalette beim diesjährigen Flimmermarathon an der Cote d’Azur nicht gerade berauschend war. Regisseur Alain Guiraudie präsentierte seinen Spielfilm in der Sektion „Un Certain Regard“ („Der besondere Blick“). Gleich zwei Preise konnte er mit nachhause nehmen. Man wundert sich.

see_320Der Film entpuppt sich rasch als Softporno mit einigem Hang zum Splatter. Im Zentrum steht Franck, ein gut aussehender Mann mittleren Alters, eher jünger als angejahrt. Immer wieder zieht es ihn an einen Strand im Wald an einem See. Hier gehen schwule Männer regelmäßig auf die Suche nach schnellem Sex. Doch Franck will mehr. Er hofft auf Liebe.

Unheilvolle Bilder prägen den Film. Die Atmosphäre des Düsteren wird durch einen berührenden Erzählstrang aufgehoben: Franck beginnt, bar jeglichen erotischen Interesses, so etwas wie eine Freundschaft mit dem etwas älteren, recht korpulenten Henri. Der ist nicht schwul. Er trauert um seine verlorene Liebe zu einer Frau. Franck verguckt sich jedoch bald in einen Mann, von dem er weiß, dass der ein Mörder ist. Das führt unausweichlich zu einer Katastrophe.

Die schmucklosen Bilder, die jeder Farbe ein schmutziges Grau aufdrängen, und die Ruhe der Erzählung faszinieren durchaus. Zunächst mutet das trotz deftiger Sexszenen sensibel an. Doch das von Blut und Gewalt dominierte Finale verstört nicht nur, es zerstört auch den guten Eindruck. Es bleibt ein schaler Beigeschmack. Denn der Film verliert sich am Ende zu sehr in oberflächlicher Effekthascherei.

Peter Claus

Der Fremde am See, von Alain Guiraudie (Frankreich 2013)

Bilder: Alamode