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Nee, was für ein dämlicher deutscher Verleihtitel! Wer immer den verbrochen hat, kann den Film nicht gesehen haben. Verstanden hat sie oder er ihn auf jeden Fall nicht. Dieser dusslige Zusatz – „Zuviel des Guten ist wundervoll“ – spiegelt nichts, was in diesem Film vorkommt, ist einfach nur zuviel. Ein aus dem Zusammenhang gerissenes Zitat kann nun einmal nicht funktionieren. Halten wir uns also an „Liberace“, „Behind the Candelabra“ im Original.

Władziu Valentino Liberace, der sich als Pianist nur „Liberace“ nannte, war ein angeblich 1919, möglicherweise schon einige Jahre früher, geborener US-Amerikaner, Sohn einer Polin und eines Italieners. Bereits als Kind zeigt er Talent fürs Klavierspielen und startete mit zwölf Jahren eine Karriere als Wunderkind. Und das, ein Wunderkind, blieb er bis zu seinem Tod 1987. Er inszenierte sich – auf der Bühne und Privat – als Glitzerstar, stellte stets einen vielarmigen Kerzenhalter, einen Kandelaber, auf den weißen Flügel, machte die Musik zur Show.

liberace320Steven Soderbergh, dessen Show es ist, seit Jahren bei jedem Film zu erzählen, dies sei sein letzter, offeriert nun in seinem neuen „letzten“ Film „seinen“ Liberace, basierend auf einem Buch von Liberaces Lebensgefährten. Trotz „Oscar“ und vieler anderer Ehren, trotz permanenten Publikumszuspruchs konnte Soderbergh dieses Projekt lange Zeit nicht verwirklichen. Die großen Hollywood-Studios lehnten ab. Der für seinen Qualitätsanspruch bekannte US-amerikanische Pay-TV-Sender HBO hat zugegriffen. Die Verantwortlichen des Festivals in Cannes sahen den Film, scherten sich nicht drum, dass es eine Fernsehproduktion ist, und bescherten Soderbergh einen Triumph. Den teilt er  mit seinem Hauptdarsteller Michael Douglas und dessen Co-Star Matt Damon. Die Beiden werden inzwischen als „Oscar“-Kandidaten gehandelt. Und die bornierten Hollywood-Bosse ärgern sich vermutlich die Platze, dass sie sich den profitablen Fisch haben entgehen lassen. Was sie deshalb taten, so ist es aus Insiderkreisen zu hören, weil sie nach wie vor total schwulenfeindlich sind. Da kann man sich jetzt nur freuen, dass ihre reaktionäre geistige Beschränktheit wenigstens ein bisschen mit finanziellen Einbußen gestraft wird.

Die Story kreist um die Beziehung des Pianisten Liberace (Michael Douglas) und des (wesentlich jüngeren) Tierpflegers Scott (Matt Damon). Der in Las Vegas und andernorts schwer verdienende Liberace hält seine Homosexualität streng geheim. Behauptet jemand, dass er schwul ist, wird er sofort verklagt. Liberace macht das aus (damals) gutem Grund: ein Outing könnte ihn sofort die Karriere und damit sein immenses Einkommen kosten. Scott gilt offiziell als persönlicher Assistent. Doch das Lügen belastet natürlich die Beziehung. Von Glück kann nicht die Rede sein.

Man kann es nur mutig (und richtig!) nennen, dass Soderbergh diesen Film jetzt herausgebracht hat. Denn in den USA wird die Gleichstellung von Homosexuellen noch immer auch von einflussreichen Persönlichkeiten angegriffen und infrage gestellt. Diskriminierung und Ausgrenzung, wie in den 1970er Jahren, gibt es offiziell nicht mehr. Aber nur offiziell. Der Alltag im „Land der unbegrenzten Möglichkeiten“ sieht düster aus. Liberaces Angst, dass seine Sexualität bekannt wird, spiegelt also durchaus auch gegenwärtige Ängste von Prominenten in den USA.

Es ist diese Angst, die dem Film Dramatik verleiht – und seine Komik so brillant aufleuchten lässt. Michael Douglas spielt Liberace als eine „Bigger than Life“-Ikone, die sich in der eigenen Selbstinszenierung verloren hat. Man sieht einen Glitzer-Glamour-Tiger – und ahnt die kleine graue Maus hinter all den Kostümen, dem Schmuck, dem überdrehten Auftreten. Neben ihm gibt Matt Damon dem „kleinen“ Lover Größe, indem er Scotts Verletzlichkeit herausstellt, ohne dass er dabei sentimental wird. Beide Schauspieler sind schlichtweg brillant! Je länger sie agieren, umso mehr kommt in der schrillen Komödie die brutale Tragödie zum Vorschein, die Tragödie von Menschen, denen es verwehrt ist, schlicht sie selbst zu sein.

Man verlässt das Kino mit zwei Hoffnungen – erstens mit der, dass der Film (und seine Akteure) mit „Oscars“ überschüttet werde und damit der Homophobie Hollywoods eine deutliche Absage erteilt wird; zweitens mit der, dass Steven Soderbergh noch viele „letzte“ Filme dreht!

Peter Claus

Liberace, von Steven Soderbergh (USA 2013)

Bilder: © DCM Filmverleih