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Auf der Berlinale gab’s den Großen Preis der Jury und eine Silbernen Bären für den Hauptdarsteller. Solche Auszeichnungen bedeuten nicht in jedem Fall, dass es sich lohnt, den Film anzusehen. In diesem Fall aber ist es so. „Aus dem Leben eines Schrottsammlers“ gehört zweifellos zu den Höhepunkten des Kinojahres!

Der wunderbar leise Film blickt mitten rein in die Wirklichkeit Europas. Und die ist brutal. Zunächst allerdings ist nicht klar, worauf es hinausläuft. Eine Frau, alles andere als wohlhabend lebend, kümmert sich um Küche und Kinder. Ein Mann, wir wissen bald, er ist der Familienvater, schlachtet verschrottete Autos aus. Der Erlös aus dem Verkauf des Altmetalls sichert den Unterhalt. Die Armut wirkt fast pittoresk. Doch schnell ist klar: der Schwangeren geht es nicht gut. Sie braucht dringend ärztliche Hilfe. Aber: die Roma-Familie, die am Rand von Sarajevo haust, ist weder krankenversichert, noch hat sie das erforderliche Geld. Die Frau braucht eine Operation. Die Ärzte wissen es. schrott_320Doch ohne Knete, egal ob von der Versicherung oder von den Leuten selbst, wird nicht operiert. Die Umstände zwingen zu Betrug. Nur dadurch, dass sich die beinahe schon dem Tod geweihte Frau als eine krankenversicherte Verwandte ausgibt, kann sie überleben. Schockierend: hier ist nichts erfunden, all das hat sich genauso zugetragen!

Regisseur Tanovic gilt als einer der politisch Wachen, als einer der Regisseure Osteuropas, die mit ihren Filmen mahnen und aufrütteln wollen. Das gelingt ihm in diesem Fall durch die enorme Wahrhaftigkeit, die der Film ausstrahlt. Nicht nur der auf der Berlinale in diesem Februar als bester Hauptdarsteller ausgezeichnete Nazif Mujić packt das Publikum. Alle Akteure, alle Laien, alle spielen sich selbst, sind großartig. Ihre Authentizität gibt dem von eisgrauen Winterbildern geprägten Film eine erstaunliche Herzenswärme, der sich wohl niemand entziehen kann. Die Mischung aus Dokumentation und Fiktion packt als Sozialstudie, als Drama und durch das Engagement aller Beteiligten.

Peter Claus

Aus dem Leben eines Schrottsammlers, von Danis Tanovic (Eine internationale Gemeinschaftsproduktion 2013)

Bilder: Drei-Freunde