phillips_680

Tom Hanks taugt inzwischen gut als Vaterdarsteller. Gesetzt, ruhig, nachdenklich vermittelt er a priori ein Gefühl von Geborgenheit. Er wirkt wie die Inkarnation des Typs, dem nie wirklich etwas Schlimmes passieren kann. Dies, und die Tatsache, dass der neue Spielfilm von Regisseur Paul Greengrass („Die Bourne Verschwörung“ und „Das Bourne Ultimatum“) auf dem Erinnerungsbuch der Hauptfigur basiert, macht von vornherein klar, dass er auch dieses Mal am Ende triumphieren wird. Tom Hanks verkörpert Kapitän Richard Phillips. 2009 übernimmt der das Kommando des Container-Frachtschiffs „Maersk Alabama“. Das sticht unter US-amerikanischer Flagge von Oman Richtung Kenia in See. Das riesige, voll beladene Schiff hat mit zwanzig Leuten eine relativ kleine Mannschaft. Eine Routinereise steht an. Doch die wird schnell zum gefährlichen Abenteuer. Denn somalische Piraten wollen die „Maersk Alabama“ kapern, um von den Eignern phillips_320ein enormes Lösegeld zu erpressen. Der besonnene Phillips versucht, mit dem Rebellen-Anführer Muse (Barkhad Abdi) und dessen drei Mitstreitern zu verhandeln. Er hat keinen Erfolg. Sie nehmen ihn als Geisel und setzen sich in einem kleinen Rettungsboot mit ihm ab. Erst ein blutiger Militäreinsatz kann Phillips befreien.

Regisseur Paul Greengrass und Drehbuchautor Billy Ray zeigen Phillips zu Beginn des Films sehr kurz an der Seite seiner Frau (Catherine Keener) als wachsamen Zeitgenossen. Auf der Fahrt von zuhause zum Flughafen reden sie darüber, wie kompliziert die Welt geworden ist. Dieses Statement wird noch dadurch verstärkt, dass bald auch Szenen in Somalia den Hintergrund der Piraten andeuten. Sie sind Fischer, denen durch die großen Konzerne die Lebensgrundlage genommen wurde, weshalb sie Verbrechern dienen. Mehr an halbwegs ernsthafter Herangehensweise an das Thema aber gibt es nicht. Je länger die Handlung dauert, umso heftiger rückt die Action in den Vordergrund. Von einem polit-kritischen Anspruch kann nicht wirklich die Rede sein. Vor der Entführung des Kapitäns gibt es immer wieder Momente, die den mitfiebernden Zuschauer hoffen lassen, Phillips könne das Ruder doch noch herum reißen. Zum Finale allerdings überwiegt martialische Gewalt. Da wird geradezu genüsslich gezeigt, wie clever die Militärs vorgehen, um möglichst viele der Entführer töten zu können. Die vier Somalier werden nur noch als gehetzte Tiere erkennbar, für die jedes Ende, egal, ob sie es überleben oder nicht, so etwas wie eine Erlösung ist. Da wird der Film äußerst fragwürdig. Kameramann Barry Ackroyd hat selbstverständlich erstklassig gearbeitet. Die oft mit einer Handkamera aufgenommenen Bilder des Schreckens dürften selbst den skeptischsten Betrachtern unter die Haut gehen. Manchmal zuckt man in seinem Sitz zusammen, weil man fürchtet, von einer der riesigen Wellen des Meeres überrollt zu werden. Ganz nebenbei zeigt sich hier, dass derart verblüffende Effekte sehr gut ohne 3D erreichbar sind.

Hauptdarsteller Tom Hanks skizziert Richard Phillips zunächst als strengen Bürokraten. Ob im Gespräch mit seiner Frau oder mit seinen Untergebenen, immer mutet er distanziert und trocken an. Zweckoptimismus scheint den Mann allenthalben zu leiten. Je länger er jedoch von den Entführern geknechtet wird, umso weicher erscheint er. Viel zu spielen hat Hanks dabei nicht. Er muss mimisch und gestisch weitestgehend auf der Skala stiller Angst agieren. Das kann er. Ganz am Schluss, die Befreiung des Kapitäns ist geglückt, zeigt Tom Hanks, dass er noch mehr kann. Während eine Ärztin der US-Navy den Geretteten untersucht, erleidet der einen völligen psychischen Zusammenbruch. Ein starker Moment. Die Ärztin hat Paul Greengrass übrigens nicht von einer Schauspielerin, sondern von einer wirklichen Militär-Medizinerin darstellen lassen. Damit will der Ex-Journalist wohl so etwas wie eine dokumentarische Anmutung erzielen. Doch wer das nicht weiß, dem erschließt sich das wohl kaum. Zudem dominiert am Ende die Heroisierung der Befreier, also der US-Army – und man geht mit einem schalen Gefühl aus dem Kino.

Peter Claus

Captain Phillips, von Paul Greengrass (USA 2013)

Bilder: Sony Pictures