kugel680

Gérard Depardieu hat in den letzten Jahren einige Filme gedreht, die man gern vergessen möchte. Oft – von Ausnahmen wie 2010 Ozons „Potiche“ („Das Schmuckstück“) abgesehen – sieht’s so aus, also gehe es ihm nur noch um lukrative Selbstvermarktung, kaum mehr um Kunst. Diesmal, immerhin, geht es ihm aber wohl auch darum, mit einer Komödie ein paar Denkanstöße zu geben.

Depardieu und sein Co-Star Atmen Kelif, von dem auch die Idee zur Story stammt und dazu ein Großteil der Dialoge, setzen viele komödiantische Glanzlichter. Da folgt man der doch recht kleinen Geschichte bis zum Schluss mit fröhlichem Schmunzeln und tatsächlich auch mit einigem Nachdenken. Diese Geschichte vereint zwei in Frankreich gewichtige Themen höchst unterschiedlicher Art: das Boule-Spiel als Nationalsport Nummer eins und die stetig wachsende Ausländerfeindlichkeit, speziell gegenüber Algeriern. Jacky (Gérard Depardieu) und Momo (Atmen Kelif) lieben den Sport und kümmern sich um Vorurteile überhaupt nicht. Gemeinsam zocken sie im idyllischen Süden als Boule-Duo depperte Typen ab. Doch Beide wollen mehr. Als bei einer Meisterschaft eine große Summe als Preisgeld winkt, trainiert Jacky seinen kleinkriminellen Kumpel bis zum geht-nicht-mehr. Doch der alltäglich wabernde Rassismus macht den Träumern einen Strich durch die Rechnung. Am Ende ruht alle Hoffnung auf der Idee, es in Algerien zu versuchen. Jacky will auswandern.

Üblicherweise verbietet es sich, das Ende eines Films auch nur anzudeuten. Hier ist es jedoch recht voraussehbar, so dass dadurch dem potentiellen Filmbesucher kein Nachteil entsteht. Verraten werden darf zudem, dass es viele Szenen gibt, deren Ausgang man bereits bei ihrem Beginn ahnt. Und fast immer liegt man richtig. Doch die Akteure lassen einen über die Schwachstellen des von Regisseur Frédéric Berthe routiniert inszenierten Films hinwegsehen. Selbst wenn Klischees über französische und algerische Kulturunterschiede ausgestellt werden, Ess- und Trinkgewohnheiten etwa, familiäre Bande, schaut man angeregt zu. Denn anders als die Erzählung selbst, bieten Depardieu und Kelif und ihre Mitspieler oft auch Zwischentöne, lassen hinter deftigen Sprüchen gelegentlich gar Lebensweisheit aufblitzen und punkten mit Charme. Richtig gut wird’s, wenn Ironie ins Spiel kommt, wenn etwa Jacky (Depardieu) darauf aus ist, nach Algerien auszuwandern. Gelegentlich wird es sogar gehaltvoll, zum Beispiel wenn es um die französische Nationalhymne geht. Im westlichen Nachbarland hat das eine große Signalwirkung. Dort provozierte nämlich im Vorjahr Fußball-As Karim Benzema ein heftiges Gerangel, weil der aus Algerien stammende Stürmer der französischen Nationalmannschaft die französische Hymne vor Länderspielen nicht mitsingen wollte. Die Nationalisten gerieten außer sich. Die französische Partei Front National, die nicht nur erzkonservativ, sondern wirklich reaktionär ist, rief sogar dazu auf, den Sportler aus der Nationalmannschaft auszuschließen. Idiotie kennt nun mal keine Grenzen. Das zeigt der Film mit durchaus scharfem Witz – und wächst so ein, zwei Mal über sich selbst hinaus.

Peter Claus

Eine ganz ruhige Kugel, von Frédéric Berthe (Frankreich 2013)

Bilder: Universum