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„Auf das Leben“ und „Freistatt“ haben extrem neugierig auf weitere Filme mit dem Schauspieler Max Riemelt gemacht. Und dann dies: breit getretener Seelenquark im Schicki-Micki-Look. Als Berliner sitzt man drin und denkt die ganze Zeit, „das muss im Szenebezirk Prenzlauer Berg spielen“. Am Ende wird dies dann bestätigt. Und man ist wieder mal froh, dass man da nicht leben muss.

Die Hauptfiguren sind Steffen (Max Riemelt) und Katharina (Theresa Scholze). Sie sind hip, oder wie immer man das in angesagtem Jargon ausdrücken mag. Die Wohnung: ein Dachgeschoss. Die Jobs: offenbar lukrativ. Die Beziehung: wohl eingerichtet. Aber die Zwei wollen zu neuen Ufern aufbrechen. Drum schlagen sie alles kurz und klein, weil sie ja nichts Belastendes auf die Fahrt ins Glück mitnehmen wollen. Und, klar, modern wie sie sind, halten sie alles per Video fest.

Das muss sich der von zahllosen manierierten Momentaufnahmen schnieken Spießeralltags genervte Zuschauer fast endlos lange ansehen. Lichtspiele, Schattenspiele, Gekreisch, Jammern, Lamentieren … Man wünscht den Beiden, dass sie einfach mal aufwachen aus ihrem Nabelschau-Alptraum und irgendetwas Sinnvolles anstellen. Und man wünscht sich eine handfeste Geschichte. Langeweile langweilig vorzuführen ist nur öde. Da nutzen auch keine Garnierungen mit neunmalklugen Sprüchen.

Beim vorjährigen Festival um den begehrten Max Ophüls Preis in Saarbrücken hat der Film starke Diskussionen im Publikum ausgelöst. Das ausgeklügelte, kunsthandwerklich gestaltete Kammerspiel haben die einen als totalen Kitsch geschmäht, die anderen als Ereignis gefeiert. Interessant: auch die, die nichts als Kitsch entdeckt haben, sind im Kino geblieben. Denn, das sei nicht unterschlagen: der Sog der Schmonzette ist enorm. Man will wissen, wie es weitergeht. Und, ja, man kann den Film als Attentat auf die ausgetretenen Pfade des saturierten Lebens der heute etwa 30-Jährigen deuten. Man kann ihn als Absage an das von Internet, Mobiltelefon und anderen technischen Monstern dominierte Dasein satter Bürgerkinder betrachten. Man kann. Nur: zwingend ist das nicht. Und das ist das Problem: es fehlt an einer eindeutig erkennbaren Haltung von Autor und Regisseur Christian Moris Müller.

Also: nicht ansehen? Falsch! Unbedingt ansehen. Denn erstens ist da Max Riemelt. Allein, was er mit Blicken über den von ihm verkörperten Schlaffi aussagt, fesselt. Und, ob man diesen Film nun mag oder nicht, man muss sagen: Christian Moris Müller hat zweifellos ein Gespür dafür, atmosphärisch dichte Momente zu kreieren. Also: rein ins Kino und mitgestritten.

Peter Claus

Bilder: missingFilms

Lichtgestalten, von Christian Moris Müller (Deutschland 2015)