Ich, ich, ich – die wichtigste Vokabel in unserer Gesellschaft. Wie wichtig, zeigt dieser Film auf sehr unterhaltsame Weise an einer Geschichte um abgebrühte, selbstgefällige und rücksichtslose Karrieristen. Im Mittelpunkt der finessenreichen Filmstory steht ein Quartett geld- und machtgieriger Business-Bonzen (Vicky Krieps, Volker Bruch, Sascha Gersak, Stefan Konarske). Die vier so genannten „High Performer“ einer Beratungsfirma sollen in einem coolen Outdoor-Training ihre Führungsqualität, sprich: Skrupellosigkeit, beweisen. Bewaffnet mit dem heutzutage weit verbreiteten Kauderwelsch voller falsch gebrauchter Anglizismen und schicker Worthülsen grooven sich die hoch motivierten Team-Player ins Ungewisse. Das jedoch ist noch ungewisser ist als sie ahnen. Denn PR-Managerin Vanessa Kramer (Lavinia Wilson) will, dass die Vier bis an die Grenzen des Erträglichen getrieben werden. Darum hat sie heimlich ein Schauspieler-Duo engagiert. Das tritt als Geiselnehmer auf, um die Versuchskaninchen an ihr Äußerstes zu bringen. Doch die abgehalfterten Knattermimen markieren nicht. Sie wollen tatsächlich Lösegeld. Ihre Waffen sind scharf geladen. Aus bösem Spiel wird also bitterer Ernst, aus einem Hardcore-Training nach festen Vorgaben ein unberechenbarer Kampf auf Leben und Tod und jenseits aller Regeln. Open End, Ausgang ungewiss!

Nach Johannes Naber in „Zeit der Kannibalen“ blickt nun Philip Koch sehr effektvoll und anregend mit satirischem Scharfblick auf den ganz gewöhnlichen Kapitalismus und dessen dunkle Schatten. Dabei wird visuell so Einiges geboten, dazu vor allem schauspielerisch. Philip Koch setzt sich auf verblüffende und pointierte Weise mit einer Grundregel des Kapitalismus auseinander: friss oder stirb. Stilistisch changiert er dabei lustvoll zwischen Action und Anspruch, Psychothriller und Polit-Parabel. Opfer werden zu Tätern und umgekehrt. Die rasante Inszenierung sorgt für hohen Unterhaltungswert. Visuell wird Einiges geboten. Und schauspielerisch ist das ein Fest. Ob in kleinen oder großen Rollen, Könner wie zum Beispiel Lavinia Wilson, Volker Bruch, Samuel Finzi, Frederick Lau und Hanns Zischler ziehen alles Register. Sie sorgen mit punktgenauen Charakterskizzen dafür, dass jede Pointe sitzt, alle Gags zünden, die Lacher heftig sind, aber das Nachdenken nicht ausgeblendet wird. Den bösesten Witz hat dabei übrigens das Leben parat: Unmenschliche Schulungsmethoden, wie die im Film gezeigten, gibt es wirklich.

Wer sich an „Picco“, Kochs Studienabschluss-Film von 2010 erinnert, einen brutalen Blick auf den Alltag in Jugendstrafanstalten, wird allerdings mit ein wenig Bedauern feststellen, dass sein neuer Film gefälliger ist als es der Vorgänger war. Liegt’s daran, dass ein Teil des Budgets vom ZDF, vom „Kleinen Fernsehspiel“, kommt?

Peter Claus

Bilder: © Wild Bunch/Central Film

Outside the Box, von Philip Koch (Deutschland 2016)