Ein Film, der spaltet. Tom Ford, vor sieben Jahren für sein Regie-Debüt „A Single Man“ zu Recht gefeiert, hat mit seinem zweiten Film, „Nocturnal Animals“ die Kritikergemeinde gespalten. In Venedig, im September, beim Festival, als der Film uraufgeführt wurde, gab’s Beifall und Buh-Rufe – und am Ende erhielt der Film den Großen Preis der Jury, einen Silbernen Leoparden. Eine fragwürdige Ehre. Denn, ja, der Thriller ist makellos inszeniert, die Schauspieler agieren mit Klasse. Und wer’s gern eklig hat, mag sich auch gut unterhalten fühlen. Wer nicht, für den ist die ausufernde Brutalität nur schwer erträglich. Das Schlimmste ist die Geisteshaltung der Erzählung: Es wird beklatscht, dass eine Frau von ihrem Ex-Mann bestraft wird, weil sie sich ihm in jungen Jahren entzogen und das gemeinsame Kind abgetrieben hat. Da wird das auch von vielen, vielen Nicht-Feministen anerkannte Recht der Frau, sich frei und unabhängig für oder gegen ein Kind entscheiden zu dürfen, tüchtig abgewatscht.

Erzählt wird die Geschichte einer immens wohlhabenden Galeriebetreiberin (Amy Adams). Sie ist beruflich erfolgreich, privat mit ihrem zweiten Mann, der eine feste Freundin hat, unglücklich. Sinnsuche ist angesagt. Die wird forciert, als sie von ihrem Ex (Jake Gyllenhaal) ein ihr gewidmetes Buch zugeschickt bekommt. In dem Roman erzählt er eine äußerst brutale Geschichte um ein Ehepaar samt halbwüchsiger Tochter, deren Idylle durch brutale Verbrecher in eine Hölle verwandelt wird. – Viele grausame Sequenzen und ein zweifelhaftes Plädoyer für Selbstjustiz machen den schauspielerisch und gestalterisch makellosen Film zum Grusel-Schocker – gruselig ob seiner Geisteshaltung. Will Ford, der Ästhet, beweisen, dass er auch anders kann als elegant zu erzählen? Überflüssig!

Freilich: Die Inszenierung ist äußerst elegant. Die Wirklichkeitsebene der Erzählung um die junge Frau und die des von ihr gelesenen Buches, dazu Rückblenden in ihre lange vergangene gemeinsame Zeit mit dem Autor, das ist formal famos. Und Tom Ford beweist wieder, dass er Schauspieler exzellent führen kann. Darf man also vom Inhalt absehen? Wohl kaum. Die nicht nur unterschwellige Abstrafung von Frauen, die Karriere machen und sich Männern nicht willenlos unterordnen ist zu reaktionär. Und der Inhalt mit seinen Botschaften kommt nun mal vor allem beim Publikum an. Stammtisch-Machos wird hier zu viel Futter geliefert. Und man erinnere sich: Es gab schon mehrfach Regisseurinnen und Regisseure, die stilistisch Grandioses geliefert haben, deren Filme aber zum Schlimmsten gehören, das je unter dem Etikett „Kunst“ verkauft worden ist, wie etwa Veit Harlans antisemitisches Machwerk „Jud Süß“. Nein – Tom Ford ist sicher kein Mann, der faschistoidem Gedankengut anhängt. Aber er klatscht Leuten, die das tun, mit seinem Film kräftig zu. Ein Ärgernis.

Peter Claus

Bilder: © Universal Pictures International Germany

Nocturnal Animals, von Tom Ford (USA 2016)