Some like it light

James Bond is back – und ein ziemlich netter Kerl

Wir sind auf dem Friedhof der Dinosaurier, Erinnerung im Dunkel von Petersburg, ein Totentanz. Und wie ein scheuer Vogel der Nacht umkreist die Kamera all die Toten, die Büsten und Statuen, die Devotionalien einer verfallenen Religion, der ihr Grund abhanden kam. Lauter Lenins, lauter wirklich kalte Krieger. Und da steht ein wirklicher Mann, zögernd, als wüßte er nicht recht, ob diese kalte Müllhalde des Krieges der Ort seiner finalen Entsorgung wird. Und er wird sich, wie wir, vor den zerbrochenen Altaren fragen, wofür er noch lohnte, der Krieg. Für England?

Natürlich ist James Bond ein Relikt, ein Dinosaurier, gezeugt in einer Zeit, als die Lizenz zum Töten noch ein Umstand schien, der besondere Erwähnung bedurfte. Als Nullnullsieben Dr. No jagte (1962), als er Liebesgrüße aus Moskau erhielt (1963), da war das im Westen eine ziemlich heiße Nummer und im Osten die Subversion, die aus dem Kino kommt. Jetzt ist die zeitgeistig recycelte Fassung ein schöner, sanfter Film, mit dem man den Kindern gerne eine Freude macht. So ist James Bond auch ein Beitrag zum zeitlos schönen Thema der vergehenden Zeit.

Wie die Tatsache zum Beispiel, daß Mr. Q., der nörgelende Erfinder explosiver Gebrauchsgegenstände, auch schon deutlich über 80 ist, was Wunder, der Mann hat 007 immerhin fünfzehnmal mit einem brisanten Equipement versehen, das schlaucht. Oder der befremdliche Umstand, daß „M“, nunmehr Mrs. M ist, früher wär das nicht passiert, der Quoten-Boss. „Ich halte Sie für ein sexistisches Relikt des kalten Krieges“, sagt Mrs. M zu Mr. B, und in der Tat, die Damen sind auch nicht mehr, was sie mal waren. Zwar, das good girl gibt es immer noch, indessen, sie zieht sich kein bißchen aus und ist statt dessen Programmiererin, ohne deren fingerflinke Mitwirkung bei der Errettung der Welt Freund James sich seine harten Hände im kalten Rußland womöglich verkühlt hätte. Die sanfte Natalia ist ein politisch korrekter Entwurf des Zeitgeistes, berufstätige Frau und Partnerin, jedoch: Gehen wir tatsächlich wegen unserer berufstätigen Frauen und Partnerinnen ins Kino, Jungens? Ganz anders die unkorrekte Leder-Xenia, das bad girl, eine Frau, die ist, was zu begehren Männer gern behaupten – und die der Männer Angst, wenn sie das Tier tatsächliche fänden, ohne viel metaphorische Umwege ins Bild nimmt: Sie gewährt den maskulinen Muskeln zwischen ihren stählernen Schenkeln den ultimativen Kick, ehe der Knochen knackt und ihr darüber, Lust schnappend, beinahe die Luft weg bleibt. „Er wird uns entgleisen lassen“, murmelt sie erwartungsfroh, wenn James des Panzers festes Rohr auf den Schienen plaziert. Xenia zeigt den Männern das Tier, bis die entzückten Herren, unter ihr verröchelnd, erstaunend bemerken: Sie spielt es nicht, sie ist es. Märchenhaft, die schöne böse Hexe und also angemessen dem Prinzen James. Und beinahe hätte sie auch ihn erwischt, da hinten in Kuba, doch da – doch nein, das sollten Sie selbst sehen, und wie dann Jack Wade vom CIA. Denn, ein wenig auch zu unserem eignen Erstaunen, wollen wir dem Unterhaltung suchenden Publikum diesen Film herzlich empfehlen. Pierce Brosnan wird, anders, als Sean Connery es wurde, wohl auch in zwanzig Jahren kein Charakterdarsteller sein, doch macht er, very british, gute, glatte Figur in einem Ambiente, das Martin Campbell gefällig arrangierte. Der Film kokettiert aufs anmutigste mit seinem eigenen Mythos, sich rhetorisch in Frage stellend beantwortet er die Frage: James benötigt keinen kalten Krieg, er benötigt nur böse Menschen, die weniger nett sind, die hin und wieder die Welt ein bißchen zerstören wollen.

Dieses und jenes ließe sich vorbringen, ob James den Luft-Weg zwischen einem fliegenden Flugzeug und einem fliegenden Motorrad nun zwingend als fliegender Bond zurücklegen mußte zum Beispiel oder warum er, trotz Gottfried John, keinen charismatischen Gegner hat – außer der Erinnerung an Connery natürlich -, jedoch: Es ist einfach ein gutes altes Märchen, ein Action-Film, den gern gesehen zu haben uns intellektuellen Humanisten nicht peinlich sein muß. Die Männer schwitzen nicht, die Leichen riechen nicht, das Blut und die Martinis werden lediglich „gerührt, nicht geschüttelt“. Das rührt uns einfach, daß es uns nicht so schüttelt. Ein Relikt, ohne Zweifel: Aus jener Zeit, als ein Mann noch nicht gehäutet werden mußte, damit sein Tod von einigem Belang scheint. Das macht ihn sympathisch, irgendwie. Some like it light.

Die finale Wertsetzung dann gerät zum überzeugendsten Ausdruck der sich ändernden Zeiten. Hoch unterm weiten Himmel finden sich die Gentlemen zum Showdown. James, der ist okay, hält schließlich Alec, der ist fies, am Fuß überm Abgrund. „Für England?“ fragt Alec abschließend, es interessiert ihn schon. „Nein, für mich“, korrigiert James, ehe er ihn fallen läßt. Das wär Sean nie passiert.

Autor: Henryk Goldberg

Text geschrieben 1995

Text: veröffentlicht in Thüringer Allgemeine