Starke Filme

Balada Triste de Trompeta (Regie: Álex de la Iglesia, Spanien, Frankreich 2010)

Das Festival bietet vieles, das man gern bald im heimischen Kinoangebot wieder fände. Überaus beeindruckend: „Balada Triste de Trompeta“ aus Spanien (Regie: Álex de la Iglesia). In einem explosiven Bilderrausch umspannt der Film die Jahre von 1936 bis 1973. Die ersten Szenen spielen im Bürgerkrieg. Zwei Clowns werden mitten aus der Vorstellung von den Befreiungskämpfern zwangsrekrutiert. Der eine stirbt in den Kämpfen, der andere wird von den Faschisten gefangen genommen. Dessen Sohn wird später auch versuchen, als Clown Erfolg zu haben. 1973 strandet er in einem kleinen Zirkus. Er verliebt sich in eine Artistin, die von einem anderen Clown geliebt und geschlagen wird, von ihm weg will, und die doch nicht von ihm lassen kann. Der Kampf der zwei Männer um die Frau steigert sich bis ins Brutal-Absurde.

A Sad Trumpet Ballad

Die Verbindung von Privatem und Historischem, mitunter von Dokumentaraufnahmen gestützt, wird surreal auf die Spitze getrieben. Filmkenner werden mit zahlreichen Anspielungen, etwa auf Hitchcocks „Der unsichtbare Dritte“ geradezu bombardiert. Die Gewaltsequenzen sind mitunter fast unerträglich. Doch die Spannung ist enorm. Der geschickte Wechsel von Elementen der Satire, des Comic-Strips, eines politisch aufklärerischen Impetus’ und des Horror-Genres fasziniert. Am Lido macht das Gerücht die Runde, Jury-Vorsitzender Quentin Tarantino habe geradezu euphorisch reagiert. Der Goldene Löwe? Wir werden es am Samstag sehen.

Wohl kaum Chancen auf irgendeinen Preis hat der griechische Wettbewerbsbeitrag „Attenberg“. Zwei junge Mädchen, Frauen, stehen im Mittelpunkt, ihr sexuelles Erwachen wird – flankiert von der Geschichte des krebskranken Vaters der einen – in meist unappetitlichen Momentaufnahmen eingefangen. Bar jeder emotionalen Kraft ist die Wirkung gering. Langeweile macht sich breit.

Das passiert leider auch beim italienischen Film „Noi credevamo“ (Wir haben daran geglaubt). Regisseur Mario Martone blickt 150 Jahre zurück auf die Entstehung des Staates Italien. Über eine kostümlastige Illustration geht das nicht hinaus. Hauptproblem: Wer nicht sattelfest in italienischer Geschichte ist, kann die auf mehr als drei Stunden ausgedehnte Geschichtslektion nicht entschlüsseln. Selbst italienische Kolleginnen und Kollegen kamen ratlos aus dem Kino.

Das ist besonders bedauerlich, da das italienische Kino mit gleich vier Filmen im Wettbewerb und einundvierzig im Gesamtprogramm quantitativ stark vertreten ist. Abgesehen von „La pecora nera“ (Das schwarze Schaf), und die Filme der Retrospektive außer Acht gelassen, überzeugt Italiens Kino nicht mit Qualität. Die italienischen Kritikerinnen und Kritiker schieben dies zum größten Teil darauf, dass die Filmwirtschaft in zu starkem Maße vom Hause Berlusconi kontrolliert werde. Das habe zu einer Nivellierung geführt. Sehr bedauerlich.

Den bisher starken Gesamteindruck trübt das natürlich nicht. Und, seien wir ehrlich: Der auf der Berlinale meist auch stark vertretene deutsche Film sorgt dort ja auch nur selten für Enthusiasmus. Apropos: Am Freitag geht Tom Tykwers „Drei“ ins Löwen-Rennen. Im Moment sieht man den Regisseur noch ganz entspannt mit Kinderwagen über den Lido di Venezia schlendern. Der junge Vater geht’s gelassen an. Wir drücken die Daumen.

Peter Claus