Es begann mit Elena und Nicolae Ceaucescu 1989. Ein Fernsehtribunal tagte. Elena Ceaucescu wehrte sich, er winkte sarkastisch ab. Anschließend wurden beide erschossen.

Saddam Hussein wurde gehängt, es wurde gefilmt. US-Truppen hatten ihn aufgespürt und dann der von der Koalition der Willigen eingesetzten neuen irakischen Herrschaft übergeben.

Die Erschießung Bin Ladens wurde life ins Weiße Haus übertragen.

Jetzt also Gaddafi. Ein blutiger Kopf wurde auf der Titelseite der Bild-Zeitung ausgestellt.

Allen diesen Machthabern ist Einiges nachzusagen. Aber das ist jetzt Vergangenheit. Der Showdown, in dem sie zur Strecke gebracht wurden, sollte symbolisieren, dass eine neue Zeit angebrochen ist. Diese trägt eine blutige Signatur, und ein solches Symbol ist gewollt.

Die Geschlachteten, keiner von ihnen ein Sympathieträger und untereinander verschieden, hatten Eines gemeinsam: sie standen gegen das, was man so den „Westen“ nennt. Seine Günstlinge, nicht besser als sie, behandelt er besser.

Für die anderen gilt die Botschaft: „Wir kriegen euch alle!“ Erstmals, da noch unblutig, wurde das einst mit der Auslieferung Milosevics (und noch früher: mit dem Kidnapping Noriegas) vorgeführt. Sie war noch zivilgesellschaftlich aufgeladen: es werde ein Weltstrafrecht kommen, das keinen, der die Menschenrechte verletzt, davonkommen lässt. Bei der Libyenaktion hat die NATO schließlich sogar auf diesen Vorwand verzichtet. Stattdessen greift man auf kaum noch getarnte Aggressionspolitik im Kolonialstil zurück.

„Wir kriegen euch alle“ – das meint zweierlei:

Erstens: Nicht alle. In Riad passiert nichts.

Zweitens: Es sind auf andere Weise aber doch alle gemeint. Auch wer es nicht zum Diktator gebracht hat, aber nicht zur Neuen Weltordnung passt, vielleicht nur ein harmloser, allerdings oppositioneller Bürger ist – sie  alle erhalten seit einigen Jahren eine Lektion, die so lautet:

Es gibt eine Macht, die höher ist als alle nationale Souveränität und als alle Individualrechte. Sie kann beliebig zugreifen. Also empfehle sich Wohlverhalten.

Es ist zur Zeit viel vom „Durchgriff“ die Rede. Die Kanzlerin will ihn gegen europäische Staaten, die nicht so mächtig sind wie Deutschland. Die Regierungstrojaner ermöglichen den Durchgriff letztlich auf jeden Einzelnen. Dies ist eine Ordnung des Big Brother mit mehreren Ebenen. Die blutigen Individual-Gemetzel in der Peripherie sind ebenfalls Durchgriffe, und zwar solche, wie sie selbst vom Imperialismus des 19. Jahrhunderts noch nicht bekannt waren.

 

Georg Fülberth in Unsere Zeit Nr. 43, 28. Oktober 2011

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