Dustin Hoffman in RAIN MAN (1998), movieactors.com

Auf dem Seil

Heute wird der große Charaktersschauspieler Dustin Hoffman 73 Jahre alt. Seit seinem Durchbruch 1967 mit Die Reifeprüfung belegt Dustin Hoffman, dass große Kunst nicht von brillantem Aussehen kommt.

Wenn die beiden Männer einen anderen Beruf ausübten und gemeinsam einen öffentlichen Raum beträten, so würde der eine mit jener Sicherheit alle Blicke auf sich ziehen, mit denen der andere übersehen würde. Wenn die beiden aber ein Spielcasino betreten, dann sehen wir nur den kleinen, den wir im richtigen Leben nicht einmal bemerken würden, denn es ist Dustin Hoffman. Der andere war der glänzend aussehende Tom Cruise.

Dustin Hoffmans autistischer Rain Man (1988) beschreibt den Gipfelpunkt seiner künstlerischen Ausdrucksfähigkeit   und vermutlich auch den seiner Sehnsucht. Denn wer einmal so vollendet war, so vollkommen, so makellos, der wird eine Wiederholung dieses Glückes suchen. So ist Hoffman seither auf der Suche nach der Rolle, die ihn noch einmal so weit hinauf zu tragen vermag. Der Autist, der Rain Man tänzelt auf jenem schmalen Seil, das über der pathologischen Maniriertheit wie über der überragenden Kunstleistung schwankt; eine Geste zuviel, ein Wimpernschlag mehr und er stürzt: Und nichts beschreibt die große Kunst dieses Mannes genauer, als da nicht abgestürzt zu sein. Vermutlich ist das ein Grenzbereich der darstellenden Kunst, den zu erkunden wenigen vorbehalten ist. Es ist der Punkt, da die reine Schauspielerei beginnt, sich an den Rändern mit dem Leben selbst zu vermischen.
Dieser Schauspieler, der das Method Acting kultiviert, das durch die Meininger und Stanislawski nach Amerika kam, ist süchtig nach Hingabe und träumt von einer Rolle, in der das wiederholbar ist. Andere Rollen waren einfach nur sehr gut, wie Kramer gegen Kramer, oder der Little Big Man, Tootsi, die andere Verwandlung. Oder einer der beiden Unbestechlichen (All the President’s Men), dieWatergate zum zitablen Begriff erhoben. Der Partner war Robert Redford, ein schöner Mann und ein wunderbarer Schauspieler obendrein. Eine Existenz wie die Robert Redfords ist irgendwie ungerecht gegenüber dem Rest. Aber manchmal werden die Ungerechtigkeiten des Lebens durch das Leben selbst korrigiert: In zehn Tagen wird auch Robert Redford 73. Irgendwie tröstlich, das.

Text: Henryk Goldberg

Bild: movieactors

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Dustin Hoffman in RAIN Mann (1998), movieactors.com