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Im Kinderprogramm des DDR- Fernsehens lief „Spuk unterm Riesenrad“. Besagtes Riesenrad gehörte zum Kulturpark Plänterwald in Berlin. Nach der Wende wurde daraus der Spree-Park. Der Vergnügungspark in Treptow-Köpenick war der Höhepunkt im Schaffen der Schaustellerfamilie Witte, zugleich aber auch der Beginn des Endes eines Menschen für den jedes erreichte Ziel nur der Startpunkt einer noch größeren Unternehmung sein konnte.

„Achterbahn“ beginnt mit einer Kamerafahrt die so bezeichnend ist für das Hier und Jetzt im Leben des Norbert Witte. Das stillgelegte Riesenrad des Spreeparks im Hintergrund, vorne umgestoßene Dinosaurierfiguren. Die Langsamkeit der Bilder, bezeichnend, dass das Streben nach Größerem um jeden Preis, nach immer mehr, wohl ein Ende gefunden hat. Eine Achterbahnfahrt, im Focus das Gesicht Norbert Wittes. Seine Augen, als blicke er noch mal zurück auf sein Leben, dessen Mittelpunkt immer der Rummel war. Alles bis dahin Aufgebaute, verloren.

Norbert Witte ist der Spross einer großen Schaustellerfamilie. Er lernt seine Frau Pia mit 17 Jahren kennen. Er und sein Vater an der Losbude, sie am Auto-Scooter. Nie wäre er soweit ohne den Halt und die Stärke Pias gekommen. Die erste Zäsur im Leben der Familie Witte war ein Kirmesunfall, der 1981 sieben Menschenleben forderte. Pleite. Von Schuldgefühlen belastet, kostet es die beiden 10 Jahre, Jahre des Tingelns durch Europa, um wieder da anzukommen, wo sie einst standen. 1991 dann der Erwerb des Spreeparks. Der einzige Vergnügungspark in Berlin, das Geschäft boomte. Und auch hier der Fall. 2001 meldet der Park Insolvenz an. Wittes wahnwitzige Idee mit seinen Fahrgeschäften nach Peru zu gehen, erscheint in den Augen der Öffentlichkeit als Flucht vor den Gläubigern. Doch in Lima läuft das Ganze nicht an, korrupte Zollbeamte geben die Fahrgeschäfte nicht frei. Während des Versuches die Fahrgeschäfte mittels Drogenschmuggels zurück nach Deutschland zu verschiffen, wird sein Sohn verhaftet. Am Ende steht ein mittelloser Mann, der die Gefangenschaft seines Sohnes zu verantworten hat, eine Ehefrau, die immer hinter ihm stand, sein Antrieb war, den Verlust des Sohnes nicht verzeihen kann, und enttäuschte Freunde. Norbert Witte wurde im Mai 2008 vorzeitig aus der Haft in Deutschland entlassen, sein Sohn sitzt bis heute in einem „typisch“ südamerikanischen Gefängnis. Das, was die Familie am Ende noch eint, ist der Kampf um die Freilassung des Sohnes, und das Schaustellergewerbe, im Blut.

André Thaetz

Achterbahn (BRD 2009, Regie: Peter Dörfler)

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