Debütantin Rose Bosch, verantwortlich für Drehbuch und Regie, blickt auf Ereignisse zurück, die in Frankreich gern dem Vergessen überlassen werden: Am 16. Juli 1942 verordnet die Vichy-Regierung im Großraum Paris eine allumfassende Razzia. Im Einklang mit den Deutschen werden fast 14.000 jüdische Männer, Frauen und Kinder verhaftet. Deren Deportation ist unausweichlich. Dabei wird der elfjährige Jo Weismann (Hugo Leverdez) zur Schlüsselfigur. Zunächst erleben wir ihn als richtigen Racker in den Straßen von Paris. Erste Schatten tauchen auf, als er, wie so viele, den so genannten „Judenstern“ tragen muss. Dann kommt der brutale Transport. Mit dem Wissen um die historischen Ereignisse ahnt man als Zuschauer, was passiert – und ist dennoch geschockt, dass es kommt, wie es kommen muss.

Die Regisseurin will aufklären und die öffentliche Diskussion anheizen. Leider hat sie dabei nicht den Mut zur radikalen Provokation. Mit der Figur der Krankenschwester Annette Monod (Mélanie Laurent) führt sie so etwas wie einen die gute Seele Frankreichs verkörpernden geschundenen Engel ein und verstellt damit die notwendige Sicht auf die damalige Lebenssituation in dem von der deutschen Wehrmacht besetzten Paris. Die Figur eines jüdischen Arztes (Jean Reno) und die tapferen Mannen der Feuerwehr, die sich nicht zu Handlangern des Todes machen lassen wollen, rücken den Film schließlich gefährlich nah an den Kitsch heran.

Der Film soll auf Tatsachen beruhen, die Figuren sollen wirklichen Menschen nach gestaltet worden sein. Das mag stimmen. Es beweist dann aber wieder einmal nur, dass die Wirklichkeit in der Kunst, wo erst Überspitzung Wirkung zeigt, kaum als Garant für Wahrhaftigkeit taugt. Die wünschenswerte Diskussion über die gesellschaftlichen Zustände, die den Faschismus mit seinen grauenvollen Auswirkungen erst möglich machten, bleibt aus. Bedauerlich.

Peter Claus

Die Kinder von Paris, Roselyne Bosch (Frankreich / Deutschland 2010)

Bilder: Constantin