Beliebte Kinderfrage: Wo lande ich, wenn ich an der Stelle, an der ich grad bin, in die Erde bohre, einmal ganz durch, ganz geradlinig, bis ich wieder rauskomme? Victor Kossakovsky nimmt die Frage ernst und gibt Antworten in seiner Dokumentation. Als erstes lernen wir, dass wir meist im Wasser landen. Weil der größte Teil des blauen Planeten von Wasser bedeckt ist, gibt es gar nicht viele geografische Antipoden auf Festland. Aber einige existieren schon. Acht davon hat der Regisseur für seinen Film aufgesucht – und zeigt sie in traumwandlerisch schönen Tableaus.

Manche Gegensätze sind überaus reizvoll: Entre Rìos hier, Shanghai da, Landleben in Lateinamerika contra Stadtgewusel in einer der Metropolen Asiens. Die Gegensätze sind augenfällig. Der Film leistet über deren vordergründige Bebilderung jedoch kaum etwas hinaus. Das ist bei den anderen Beispielen nicht anders. Und so ermüdet die Doku erstaunlich schnell. Einmal ärgert sie sogar: die Sequenzen über die Ödnis in den Weiten von Botswana kommen gefährlich in die Nähe von Gutmenschen-Kitsch: da guckt einer mit großen staunenden Augen, wie pittoresk Armut doch wirken kann – und will deren Schrecken möglichst nicht wahr haben.

Hinreißend hingegen: manche Bildfolge von wirklich beeindruckenden Naturschauspielen. Die Nebelbänke über dem Baikalsee beispielsweise, die verfolgt werden, wird wohl niemand jemals vergessen können. Weil mit Gespür für Wirkung eingefangen, bleibt hier auch jeder Anflug von Postkarten-Idylle aus. Und das ist auch mehrdeutig. Kossakovsky gelingt es hier, wie auch an anderer Stelle, das Gefährliche im Schönen aufblitzen zu lassen. Da bekommt sein Film dann gelegentlich die faszinierende Kraft eines düsteren Poems.

Peter Claus

¡Vivan las Antipodas!, von Victor Kossakovsky (Deutschland, Argentinien, Niederlande, Chile 2011)

Bilder: farbfilm (Barnsteiner)