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Rennsport-Filme, Spielfilme jedenfalls, gibt es in der Geschichte des Kinos nur wenige, wirklich erfolgreich bei Publikum und Presse gleichermaßen war keiner. Was daran liegt, dass diese Filme ganz auf den Reiz rasender Räder setzen – und damit viele, viele Leute ausschließen. Hier nun kann sich auch vergnügen, wer beim Rennsport in der Regel allenfalls als Zuschauer von der Couch aus mitfiebert. Geboten wird rasante Unterhaltung von Format, die insbesondere mit zwei wirklich exzellenten Hauptdarstellern, Chris Hemsworth und Daniel Brühl, und deren Können fesselt.

Regie geführt hat der US-Amerikaner Ron Howard. Seit dem „Oscar“ für „A Beautiful Mind“ gilt er als Spezialist für Entertainment mit Anspruch. Er zieht denn auch alle Register des Spannungskinos mit Bravour. Sein aus England stammender Autor Peter Morgan („Die Queen“, 2005) hat ihm dafür mit seinem ausgefeilten Drehbuch eine echte Steilvorlage geschrieben. Morgan setzt klugerweise nicht allein auf die Faszination heulender Motoren und lebensgefährlicher Situationen. Er zeigt die Geschichte des Wettkampfs von James Hunt, gespielt von dem durch „Thor“ bekannt gewordenen Chris Hemsworth, und Niki Lauda (Daniel Brühl), auch als Charakterdrama. Das historisch verbürgte Gegeneinander der beiden Formel-1-Ikonen hat durch die psychologisch ausgefeilten Zeichnungen der Figuren einen derart starken Drive, dass selbst Zuschauer, denen die wagemutigen Rasereien auf dem Nürburgring und auf anderen berühmten Rennstrecken völlig schnuppe sind, in den Bann gezogen werden.

Die Handlung orientiert sich locker an Tatsachen: Die Formel-1-Saison 1976 hat mit dem Engländer James Hunt und dem Österreicher Niki Lauda zwei eindeutige Favoriten. Die Stars gehen für unterschiedliche Firmen an den Start. Jeder von ihnen will den Sieg um jeden Preis. Hunt tritt gern mit Playboy-Attitüde auf, Lauda als kühler Perfektionist. Ausgerechnet ihn schießt ein lebensgefährlicher Unfall auf dem Nürburgring zunächst ins Aus. Doch Lauda gibt nicht auf. Von den Verletzungen äußerlich und innerlich schwer gezeichnet tritt er im Finale wieder bis zum geht-nicht-mehr aufs Gaspedal.

rush320Die britisch-deutsche Koproduktion schwelgt durchaus im kreischenden Look der 1970er Jahre. Doch die Optik verliert sich erfreulicherweise nicht im vermeintlichen Glamour einer Schein-Welt voller markiger Pisten-Matadore und schöner Frauen, reduziert die Geschichte der Konkurrenz von Hunt und Lauda nicht auf eine testosterongeschwängerte Macho-Ballade. Die Klasse des Films resultiert daraus, dass er auch auf das scheinbar Kleine, auf Ereignisse am Rande, auf Alltägliches blickt. Freilich: Höhepunkt des Dramas ist der Unfall – Niki Laudas Wagen geht in der Nordschleife des Nürburgrings in Flammen auf. Ron Howards Inszenierung stilisiert diesen Moment geradezu zum Horror-Spektakel. Obwohl um den weiteren Fortgang der Geschichte wissend, glaubt man in dem Moment, dass Niki Lauda dieses Grauen auf keinen Fall überleben wird. Daniel Brühl glänzt nicht allein mit dem für Lauda so typischen österreichischen Dialekt. Ohne zu überzeichnen, zeigt er Lauda als Perfektionist, der weder im Sport noch in der Liebe irgendetwas dem Zufall überlassen will, der alles und jeden kontrolliert, sich selbst am stärksten. Der Rennfahrer wird vom Schauspieler durchaus als Besessener gezeigt, der Mann jedoch als Mensch, dem Ruhm keineswegs über alles geht. Nicht wenige glauben, dass sich Daniel Brühl damit in die Reihe der Anwärter für einen „Oscar“ als bester Schauspieler gespielt hat. Auch der Australier Chris Hemsworth überzeugt. Er gibt dem flamboyanten Hunt durchaus Härte, ein starkes Konkurrenzbewusstsein, aber ebenso eine aus purer Lebenslust gespeiste Weichheit, die seine Männlichkeit umso kräftiger erscheinen lässt.

Howard & Co. bieten einen Tempo-Trip, der den Adrenalinspiegel des Zuschauers in schwindelerregende Höhen treibt. Oft hat man durch raffinierte Bildgestaltung und ausgetüftelte Montage den Eindruck, selbst in einem der Rennwagen zu sitzen. Das Lenkrad kommt einem scheinbar zum Greifen nah. Kameramann Anthony Dod Mantle, der Philip Grönings Dokumentation „Die große Stille“ (2005) zum visuellen Ereignis gemacht hat, arbeitete denn auch oft mit einer kleinen Handkamera. Man meint gelegentlich sogar, den Schweiß der Protagonisten zu riechen. Doch das allein trüge keinen abendfüllenden Spielfilm. Es sind die geradezu intimen, kammerspielartigen Momente zwischen den furiosen Action-Szenen, die dem Film Größe geben. Da sind die Schauspieler als Interpreten von Figuren mit Ecken und Kanten gefordert, nicht nur Chris Hemsworth und Daniel Brühl, sondern ebenso die Nebendarsteller, wie beispielsweise Alexandra Maria Lara in der Rolle von Niki Laudas damaliger Frau. Hemsworth und Brühl kam zugute, dass ihnen das Drehbuch nicht nur markige Sprüche in den Mund gelegt hat. Lauda und Hunt dürfen auch Zweifel am eigenen Tun äußern. Vor allem aber leben die Filmfiguren für ihre Träume. Was nicht verklärt wird. Wenn Niki Lauda etwa über seine nach den Verbrennungen noch schmerzende Kopfhaut den Helm stülpt, wird kein Supermann vorgeführt, sondern ein Sportler gezeigt, der für seine Ziele tatsächlich bis ans Äußerste geht. Abgründe werden sichtbar. Das macht die Renn-Stars zu Menschen – und gibt ihrer Geschichte einige verallgemeinerbare Aspekte.

 

Peter Claus

Rush – Alles für den Sieg, von Ron Howard (Deutschland/ England 2013)

Bilder: © Universum Film