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Meisterwerk oder Schrott? Die Rezensenten sindsich uneinig. Die neueste von schon unzählig vielen Kino-Adaptionen von William Shakespeares Macbeth wird einerseits bejubelt. Andererseits ist von Banalisierung die Rede.

Action und Spannung dominieren, dazu psychologisch genaue Figurenzeichnung und, getreu der Vorlage, eine Auseinandersetzung mit den Gefahren von Machtmissbrauch und Herrscherwahn. Dazu bedient sich der aus Australien stammende Regisseur Justin Kurzel vor allem jeder Menge Großaufnahmen. Gesichter werden unentwegt bildfüllend gezeigt. Schnell wird klar: daraus erwächst der entscheidende Reiz dieser Adaption. Man kann den Figuren nämlich beim Denken zusehen, hört, wie sie selbst, das vom wilden Schlagen ihrer Herzen verursachte Rauschen des Blutes. Man sieht die Schatten unter den Augen. Und in den Augen selbst sehr früh den Verfall. Marion Cotillard als Lady Macbeth wirkt von Szene zu Szene, pardon, hässlicher. Der Ausdruck wird härter, grausamer, und dabei flacher, weil die Figur ganz dem blinden Wahn der Macht verfällt. Der Macbeth von Michael Fassbender verliert im Lauf der Zeit hingegen das Gesicht vollkommen. Denn der Thronräuber verrät seinen eigentlichen Charakter, den eines kühl kalkulierenden Politikers, an den Wahn der schieren Mordlust. Man sieht den Akteuren gern zu, die scheinbare Nähe zu ihnen zieht einen als Zuschauer wirklich mitten ins Geschehen. Fassbender strahlt zunächst tatsächlich eine königliche Größe aus. Der Mann, den wir da sehen ist ein Monarch, scheint ein geborener Führer zu sein. Doch rasch wird offenbar: Er hält sich zwar nicht gleich für Gott, aber doch für einen von Gott Auserwählten. Die Hybris ist’s, die ihn gefährlich macht für andere, und die ihn schließlich dann auch zu Fall bringt. Er spürt’s und beißt und schlägt um sich.

Dem kommen wir als Zuschauer sehr nah, wie gesagt, die Großaufnahmen sorgen dafür. Aber wer will das Schlachten wirklich so genau sehen?! Gelegentlich wird’s dabei tatsächlich banal: Wo Shakespeare, immer philosophisch unterlegt, von Krieg und Eroberung und Vernichtung reden lässt, zeigt Kurzel das in aller nur denkbaren Ausführlichkeit. Und er schwelgt dazu, vielleicht als Kontrast gedacht, ein wenig zu oft in üppigen Landschaftsaufnahmen und Kostümplunder. Da kommt dann gelegentlich gar Kitschpostkarten-Schick ins Bild.

Die Intensität der Schauspieler aber sorgt dafür, dass man dran bleibt. Nicht nur die beiden Protagonisten bieten Darstellungskunst. Auch in kleinen und kleinsten Rollen sind exzellente Akteure zu sehen, denen zumindest, wenn auch nicht immer Charakterstudien, so doch vielschichtige Miniaturen gelingen. Hinzu kommt manch kluger Einfall von Drehbuch und Regie, wie der, den Hexen, die Macbeth den Untergang prophezeien, ein Kind zur Seite zu stellen. Dem am Ende eine ganz besondere Rolle zukommt. Wie und wieso, sei um der Spannung willen nicht verraten. Doch dies: Zum Schluss schlägt dieses Kind sozusagen einen Bogen in unsere Gegenwart. Man erschrickt und kapiert endgültig: Macbeth ist unter uns.

Peter Claus 

Bilder: © StudioCanal 

Macbeth, von Justin Kurzel  (Großbritannien 2015)