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Abschied von Robin Williams. Vor knapp eineinhalb Jahren ist er in den Freitod gegangen. Im Gedächtnis ist er vielen wohl vor allem als Komiker. Sein nun letzter Spielfilm zeigt ihn noch einmal als grandiosen Charakterdarsteller.

Robin Williams spielt einen braven Bürger. Doch der scheinbar glücklich verheiratete Bankangestellte gerät in eine persönliche Krise: als 60-Jähriger muss er sich endlich mit seiner Homosexualität auseinandersetzen.

Die Intensität von Robin Williams prägt das von Regisseur Dito Montiel angenehm verhalten inszenierte Drama. Die in den darstellenden Künsten schon oft erzählte Geschichte vom Zusammenbrechen eines Kartenhauses ist nicht wirklich originell. Doch der Hauptdarsteller macht sie zum Ereignis. In einer Schlüsselszene des Films presst der von Williams verkörperte Nolan den Satz heraus „Ich fühle mich heute noch als Zwölfjähriger“. Da zuckt man als Zuschauer zusammen. Denn man fragt sich sofort, wie stark sich Robin Williams mit der Rolle des unglücklichen Einzelgängers identifiziert hat. Der Schauspieler hatte nämlich oft gesagt, seine Erfolge in Dramen wie „Der Club der toten Dichter“ (1989) und Komödien wie „Mrs. Doubtfire“ (1993) habe er auch der Tatsache zu verdanken, dass er sich die Unschuld seiner Kindheit und Jugend bewahrt habe. War das bei ihm auch ein derart tragischer Selbstbetrug wie bei der Filmfigur Nolan Mack?

Besonders beeindrucken die wortlosen Szenen, wenn Nolan nachts allein mit dem Wagen durch triste Kleinstadtstraßen fährt. Das Gesicht gaukelt Frohsinn vor. Aber es spiegelt die Abgründe eines Daseins, das vor allem von Flucht vor sich selbst geprägt wird.

Dito Montiel hat ganz dem Können seines Hauptdarstellers vertraut. Gut so. Robin Williams wirkt durchgehend wahrhaftig. Natürlich sorgt sein Suizid mit 63 Jahren für eine weitere tragische Ebene: Man fragt sich, ob der depressive Schauspieler mit der Geschichte eines Mannes, der in einem ihm nicht passenden Leben gefangen gehalten wird, sein eigenes Schicksal reflektiert hat. Das ist Spekulation. Aber wer ist davor gefeit? Zwangsläufig nimmt man das filmische Plädoyer für ein selbstbestimmtes Dasein als künstlerisches und persönliches Testament von Robin Williams.

Peter Claus

Bilder © Pro-Fun Media

Boulevard, von Dito Montiel (USA 2014)